Schlagwort-Archive: Meinungsfreiheit

Fifty Shades of Grey XXX

In den USA sind pornografische Parodien der große Renner. Alles wird durch den Kakao gezogen, ob Super Mario Bros.Schlümpfe oder Big Lebowski. Geschützt durch die weite Meinungsfreiheit in der US-amerikanischen Verfassung, können Pornofilme verschiedene Themen aufgreifen und abwandeln. Nun versuchte sich Filmproduzent Smash Pictures an der erfolgreichen Buchserie „Fifty Shades of Grey“. Dabei wurde wohl eher kopiert als parodiert, wie es in einer Klage der Fifty Shades Ltd. und Universal City Studios LLC heißt, die am 27. November 2012 beim United States District Court for the Central District of California einging:

Beginning with the First XXX Adaptation’s opening scene and continuing throughout the next two and a half hours of the film, Smash Pictures copies without reservation from the unique expressive elements of the Fifty Shades Trilogy, progressing through the events of Fifty Shades of Grey and into the second book, Fifty Shades Darker. The first XXX Adaptation is not a parody, and it does not comment on, criticize, or ridicule the originals. It is a rip-off, plain and simple.

Mit dem Zweiten sieht man weniger

Diese Woche veranstalteten ZDF, ARD und Kirchen eine Jugendmedienschutztagung. Ich war nach Mainz eingeladen, um mit Prof. Dr. Wolfgang Schulz über „gesetzliche Verbote“ zu diskutieren. Für alle Teilnehmer der Veranstaltung wurde das ZDF-WLAN geöffnet. Wie sich herausstellte, ist dieses öffentlich-rechtliche Internet gefiltert und der Medienpädagoge Jürgen Ertelt machte mich darauf aufmerksam, dass auch mein Blog gesperrt wird. Bei Aufruf kommt folgender Hinweis:

Liebe Kollegin, lieber Kollege,

das ZDF ermöglicht seinen Mitarbeitern den Zugriff auf Internet-Seiten mit ZDF-Systemen. Dieser Zugang zum Internet wird durch eine Software geschützt. Die Software sucht nach speziellen Stichwörtern in verschiedenen Kategorien und meldet Seitenaufrufe, die diese Stichwörter enthalten. Ihr Rechnersystem hat versucht, auf eine dieser Seiten zuzugreifen…

Am Abend sprach ich bei einem Glas Wein mit dem ZDF-Jugendschutzbeauftragten Dr. Gunnar Krone und er sagte mir die Entsperrung zu. Den 3.600 ZDF-Mitarbeitern konnte also geholfen werden. Es reicht wohl noch nicht, dass die Berliner Bibliotheken sperren.

Im Kampf für die Kunstfreiheit

Die Kunstfreiheit wird in Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz vorbehaltlos gewährleistet. Im Gegensatz zu Presse- und Meinungsfreiheit findet keine ausdrückliche Beschränkung durch allgemeine Gesetze oder den Jugendschutz statt. Vielmehr muss in jedem Einzelfall eine Grundrechtsabwägung mit anderen Schutzgütern erfolgen. Soweit die Theorie.

Im vergangenen Jahr geriet das Kunstportal Erotisches zur Nacht ins Visier der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). Diese Landesmedienanstalt, die zusammen mit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) das Internet beaufsichtigt, untersagte eine weitere Verbreitung der Website, mit Androhung von Zwangsgeldern in vierstelliger Höhe bei Zuwiderhandlung. Der konkrete Vorwurf der Jugendschützer lautete, dass Texte verbreitet würden,

die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

Darüberhinaus wurden drei Bußgeldbescheide erlassen, über deren Rechtmäßigkeit das Amtsgericht Tiergarten zu entscheiden hatte. Ganz offensichtlich war der zuständige Richter erstmals mit Kunst und Jugendschutz konfrontiert, denn auf meine Ausführungen zur eingeschränkten Anwendbarkeit des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages bei angemessener Abwägung mit der Kunstfreiheit, fiel seine Reaktion sehr knapp aus (Urteil vom 2. Dezember 2010, Az.: 339 OWi 1032/10):

Das erkennende Gericht teilt diese Auffassung nicht, denn das würde im Ergebnis dazu führen, dass der Betroffene als Künstler in einem „rechtsfreien Raum“ leben würde.

Mit dieser dürftigen Begründung zeigte sich das Kammergericht Berlin nicht zufrieden und hob das Urteil wieder auf (Beschluss vom 31. Januar 2011, Az.: 2 Ss 15/11), weil…

…der Senat nicht einmal ansatzweise in der Lage ist zu überprüfen, ob das Tatgericht die gebotene Grundrechtsabwägung vorgenommen hat.

Nun wird am 10. März 2011 vor dem Amtsgericht Tiergarten erneut für die Kunstfreiheit gekämpft. Aus Solidarität mit „Erotisches zur Nacht“ findet am Dienstag, 8. März 2011, eine Lesung statt. Dargeboten werden verbotene Texte des Kunstportals, unter anderem von Henryk M. Broder.

Pornografie und Meinungsfreiheit

Mit deutlichen Worten urteilte am 26. Januar 2011 ein kalifornisches Berufungsgericht zum Verhältnis von Pornografie und Meinungsfreiheit. Der Kläger, der kostenpflichtige Pornos im Internet anbietet, war gegen Redtube.com wegen Wettbewerbsverzerrung durch die Instanzen gegangen und gescheitert. In der Klageschrift hatte er argumentiert, dass Betreiber mit Bezahlschranken durch unentgeltliche Streamingsites in ihrer Existenz bedroht seien. Dazu heißt es lapidar in der Urteilsbegründung:

In the 21st century, businesses of all kinds are having to adapt to a constantly changing commercial landscape.  The business that the parties describe as the “adult entertainment” industry is no exception.  Websites that originally made their money by offering such material on a subscription or pay-per-view basis are being replaced by “tube” websites which offer their content for free and make their money through advertising.

Aber das Gericht wies die Klage nicht nur ab, sondern ordnete das Verfahren auch als „Strategic Lawsuit Against Public Participation“ (SLAPP) ein. Damit wird sie als Versuch gebrandmarkt, das in der US-Verfassung verbriefte Recht auf freie Rede einzuschränken:

We conclude that the plaintiff’s complaint was subject to a SLAPP motion because it arose from the defendants’ conduct in furtherance of their right of free speech on a public issue.

Und zum Verhältnis von Pornografie und Meinungsfreiheit stellten die Richter fest:

We agree with Bright (Anm.: Anbieter von Redtube.com) that the publication of a video on the Internet, whether it depicts teenagers playing football or adult entertainment qualifies as “conduct in furtherance of . . . free speech . . . .”

KEVIN CAMMARATA v. BRIGHT IMPERIAL LIMITED, BANGBROS.COM et al.

Randnotiz: Redtube.com steht in den Top Ten Blacklisted Websites auf Platz 7, noch vor Pornhub.com und Playboy.com. Auch die deutsche Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat die Website indiziert, wie der Aufruf bei Google.de zeigt.

Die nackte Oberbürgermeisterin

Der für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige 4.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat am 16. April 2010 den Antrag der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

Zum Sachverhalt:

Die Verfügungsbeklagte hatte im Internet ein Gemälde mit dem Titel „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“ veröffentlicht, auf dem die Oberbürgermeisterin nackt – lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette „bekleidet“ – zu sehen war. Im Zusammenhang mit dem Tag des offenen Ateliers in Dresden wurde das Gemälde – neben anderen Bildern der Künstlerin –  am 15. November 2009 in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Nachdem die Malerin die Aufforderung auf Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes abgelehnt hatte, stellte Oberbürgermeisterin Orosz Antrag auf Erlass einer  Einstweiligen Verfügung. Das Originalgemälde ist zwischenzeitlich verkauft.

Weiterlesen

Meinungsfreiheit für Papamobil

Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu den Urteilen vom 8.März 2010 (Az. 10 B 09.1102 und 10 B 09.1837):

Die Verfügungen der Polizei gegen das 2006 in München beim Christopher-Street-Day mitgeführte „Papamobil“, mit dem Kritik an der Einstellung des Papstes gegenüber Homosexuellen geäußert wurde, waren rechtswidrig. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom heutigen Tag festgestellt und die entgegenstehenden Urteile des Verwaltungsgerichts München aufgehoben.

Die Kläger wollten am Christopher-Street-Day, einem Aufzug, mit dem gegen die Ausgrenzung und Diskriminierung homosexueller Menschen demonstriert wird, mit einem als „Papamobil“ bezeichneten LKW teilnehmen, auf dessen Ladefläche eine Puppe saß, auf deren Messgewand das doppelte Symbol für „männlich“ aufgestickt war. An den Seitenwänden des Lkw waren vier Plakate angebracht, auf denen jeweils Papst Benedikt XVI. zusammen mit folgenden Aussagen abgebildet war: „Homosexuelle Beziehungen sind zutiefst unmoralisch. Homosexualität ist eine schwere Sünde! Homosexuellen ist „mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen!“ Homosexuelle sind „gerufen, ein keusches Leben zu führen“. Auf allen Bildern war der Papst, dem eine Aids-Schleife an die weiße Soutane angeheftet war, mit einem übergezogenen Kondom am kleinen Finger der rechten Hand zu sehen. Auf zwei der Bilder waren Mund und Augen des Papstes geschminkt sowie die unter dem Pileolus hervorragenden Haare gefärbt. Auf diesen beiden Bildern hielt der Papst zusätzlich zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein weiteres Kondom. Die herbeigerufene Polizei, die von einer Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ausging, forderte den Verantwortlichen des Wagens auf, die Papstpuppe unsichtbar auf der Ladefläche des Lkw zu verstauen und die Fotomontagen des Papstes zu entfernen. Das eingeleitete Strafverfahren gegen einen der Kläger war von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.

Anders als die Vorinstanz und die Polizei bewertete der Verwaltungsgerichtshof entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das „Papamobil“ als satirische Kritik, die von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt gewesen sei. Angesichts des Anlasses, bei dem der Lkw mitgeführt werden sollte, sowie der textlichen Aussagen auf den Plakaten sei von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Einstellung der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupt zu homosexuellen Lebensweisen auszugehen. Diese Kritik sei im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung hinzunehmen. Auch die satirische Einkleidung erfülle noch nicht den Tatbestand der Schmähkritik, weil es den Klägern um eine Auseinandersetzung um die Sache und nicht nur darum gegangen sei, die auf den Bildern dargestellte Person verächtlich zu machen. Die satirische Verfremdung der Bilder des Papstes sei so deutlich zu erkennen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum nicht zu der irrigen Einschätzung gelangen könne, der Papst sei homosexuell oder empfehle homosexuellen Personen den Gebrauch von Kondomen. Daher setze sich im vorliegenden Fall die Meinungsfreiheit der Kläger gegen das Persönlichkeitsrecht des Papstes durch.

Der BayVGH hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.

Die schriftlichen Entscheidungsgründe werden in einigen Wochen vorliegen.