Archiv für den Monat: November 2013

Kein FICKEN in Europa

Europäischer Gerichtshof, Urteil vom 14. November 2013 (Az. T-52/13), Auszug:

Die angemeldete Wortmarke besteht aus dem deutschen Wort „ficken“, dessen erste Bedeutung nach mehreren von der Beschwerdekammer angeführten Wörterbüchern der deutschen Sprache eine vulgäre Ausdrucksweise für „koitieren“ oder „mit jemandem Geschlechtsverkehr haben“ ist.

Erstens macht die Klägerin, auch wenn sie einräumt, dass „ficken“ im Deutschen ein vulgäres Wort ist, das als derber Ausdruck für Geschlechtsverkehr verwendet wird, geltend, dass die Einstufung eines Worts als vulgär noch nicht ausreiche, um einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 festzustellen. Die Beschwerdekammer habe diese Bestimmung zu weit ausgelegt. Solange die Marke keine diskriminierende, beleidigende oder herabsetzende Botschaft vermittle, genüge ihr schlüpfriger oder vulgärer Charakter nicht, um einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten zu begründen. Das Kriterium für die Feststellung eines solchen Verstoßes sei, ob die Marke so anstößig sei, dass ihr Schutz inakzeptabel wäre.

Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass ein Wort nicht diskriminierend, beleidigend oder herabsetzend zu sein braucht, damit ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise Anstoß daran nimmt. So kann ein Wort, das sich in einer derben Ausdrucksweise eindeutig auf die Sexualität bezieht und als vulgär eingestuft wird, von Verbrauchern als anstößig, obszön und abstoßend und somit als gegen die guten Sitten verstoßend wahrgenommen werden. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin hat die Beschwerdekammer mit der Einschätzung, dass ein derbes und anstößiges Wort als gegen Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 verstoßend angesehen werden könne, diese Bestimmung nicht zu weit ausgelegt.

Drittens macht die Klägerin geltend, dass die Beschwerdekammer die Wahrnehmung besonders empfindlicher Verkehrskreise zugrunde gelegt habe. Das Wort „ficken“ werde heute nicht mehr als derart negativ empfunden, wie von der Beschwerdekammer dargestellt. Darüber hinaus werde es zunehmend im allgemeinen Sprachgebrauch, vor allem von Jugendlichen, benutzt. Eine Person mit normaler Empfindlichkeit werde die Marke FICKEN allenfalls geschmacklos finden, was keinen Verstoß gegen die guten Sitten begründe.

Mit diesem Vorbringen wirft die Klägerin der Beschwerdekammer im Wesentlichen vor, sich nicht auf die Wahrnehmung des Teils der Verkehrskreise gestützt zu haben, der keinen Anstoß an der Benutzung vulgärer Wörter mit sexueller Konnotation nimmt. Damit stellt sie nicht auf die Wahrnehmung der Anmeldemarke durch den deutschsprachigen Durchschnittsverbraucher der betreffenden Waren ab, sondern auf die einer Kategorie von Personen, die keinen oder wenig Anstoß an einem ordinären oder derben Sprachgebrauch nimmt. Dass ein Teil der maßgeblichen Verkehrskreise eine äußerst derbe Ausdrucksweise für akzeptabel halten mag, reicht jedoch nicht, um diese Wahrnehmung als die maßgebliche anzusehen. Es genügt nämlich der Hinweis, dass nach der oben in Randnr. 18 angeführten Rechtsprechung bei der Beurteilung, ob das Eintragungshindernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 vorliegt, nicht auf die Wahrnehmung des Teils der maßgeblichen Verkehrskreise abzustellen ist, der unempfindlich ist.

Viertens macht die Klägerin einige Argumente geltend, mit denen nachgewiesen werden soll, dass das Wort „ficken“ von den maßgeblichen Verkehrskreisen nicht als gegen die guten Sitten verstoßend aufgefasst werde.

Zunächst ist das Argument zurückzuweisen, dieses Wort finde Verwendung in Presse, Kultur und Literatur, da unstreitig ist, dass in Presse und Literatur vulgäre oder Anstoß erregende Wörter verwendet werden. Im Übrigen trägt die Klägerin weder vor, dass das Wort „ficken“ in der Presse oder Literatur in einem anderen Sinn benutzt werde als in seiner ersten Bedeutung, die einer vulgären Sprache entstammt, noch, dass diese Verwendung zu einer Banalisierung des Worts „ficken“ in einer anderen Bedeutung geführt habe.

Des Weiteren widerspricht die Klägerin der Beurteilung durch die Beschwerdekammer, das Wort „ficken“ könne auch eine Befehlsform und daher einen „abwertenden, beleidigenden und obszönen“ Begriff darstellen, da diese Verwendung im deutschen Sprachgebrauch völlig unüblich sei und dem Imperativ regelmäßig ein Ausrufezeichen nachfolge.

Dieses Argument ist zurückzuweisen, da die Beschwerdekammer sich auf die in verschiedenen Wörterbüchern der deutschen Sprache angeführte Bedeutung des Worts „ficken“ gestützt hat, als sie in der angefochtenen Entscheidung festgestellt hat, dass derbe und vulgäre Ausdrücke aus dem sexuellen Bereich für den deutschsprachigen Durchschnittsverbraucher einen Verstoß gegen die guten Sitten darstellten. Zum einen beruht die Schlussfolgerung der Beschwerdekammer, dass das Wort „ficken“ gegen die guten Sitten verstoße, entgegen dem Vorbringen der Klägerin, auf dem Sinngehalt dieses Worts und nicht darauf, dass es sich auch um ein in der Befehlsform verwendetes Verb handeln könnte. Zum anderen ist festzustellen, dass derbe und vulgäre Ausdrücke aus dem sexuellen Bereich für die Durchschnittsverbraucher anstößig, obszön und abstoßend sind.

Was zudem das Argument betrifft, dass das Wort „ficken“ in der deutschen Sprache nie als Beleidigung oder Schimpfwort gebraucht werde und keinen kränkenden Inhalt habe, so genügt der vulgäre und derbe Charakter dieses auf die Sexualität bezogenen Worts für den Schluss, dass es unanständig und obszön ist und Anstoß erregen kann. Für die Feststellung, dass ein Wort gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 verstößt, braucht nicht dargelegt zu werden, dass es als Schimpfwort oder als Beleidigung verwendet werden kann.

Ferner ist das Argument, das Wort „ficken“ im Deutschen habe weder die gleiche Konnotation noch werde es in gleicher Weise verwendet wie das Wort „fuck“ im Englischen, als unerheblich zurückzuweisen. Die Beschwerdekammer hat nämlich in der angefochtenen Entscheidung lediglich ergänzend ausgeführt, dass der vulgäre und derbe Charakter des Worts „ficken“ durch einen Vergleich mit seiner Übersetzung im Englischen bestätigt werde. Sie hat auch darauf hingewiesen, dass die Anmeldemarke anders als das englische Wort „fuck“ kein üblicher Fluch sei, sondern nur in einem sehr informellen, vulgären Umfeld benutzt werde.

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass eine vernünftige Person mit einer durchschnittlichen Empfindlichkeits- und Toleranzschwelle das Wort „ficken“ als vulgär, anstößig, obszön und abstoßend wahrnimmt. Daher hat die Beschwerdekammer zutreffend entschieden, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Anmeldemarke als im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Buchst. f der Verordnung Nr. 207/2009 gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßend ansehen werden.

Die Klage wird abgewiesen.

 

Frisch aus dem Giftschrank (November 2013)

Frisch aus dem Giftschrank, Listenstreichungen aus dem Bundesanzeiger vom 29. November 2013, Bekanntmachung Nr.13/2013 der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien:

Brigade Mondaine – Le Cygne de Bangkok, Gérard de Villiers / Michel Brice, Comic, Editions Garandiére, indiziert durch Entscheidung Nr. 3902 vom 1. Dezember 1988, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 244 vom 30. Dezember 1988.

Das Comicbuch wird aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen.

Entscheidung Nr. A 330/13 vom 18. November 2013 (Pr.795/13).

 

 

 

Liebe hinter Klostermauern, Helmut Werner (Hrsg.), Taschenbuch Nr. 2534 Reihe Knaur Erotik, Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur, München, indiziert durch Entscheidung Nr. 3447 (V) vom 15. Dezember 1988, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 244 vom 30. Dezember 1988.

Das Buch wird aus der Liste der jugendgefährdenden Medien gestrichen.

Entscheidung Nr. A 331/13 vom 18. November 2013 (Pr.796/13).

Nymphomaniac by Lars von Trier

Trailer und Website

Nailed It

Am Sonntag nagelte sich der politische Aktivist Petr Pavlensky aus Protest gegen den russischen Polizeistaat auf dem Roten Platz fest, und zwar am Sack. Im Juli letzten Jahres demonstrierte er mit zugenähtem Mund gegen Lagerhaft für Pussy Riot.

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Aber bitte mit Brille!!

In Kalifornien verlangt eine neue Arbeitsschutzrichtlinie den Gebrauch von „Personal Protective Equipment“ bei Dreharbeiten für Pornofilme. Momentan im Entwurf, aber bereits von der Branche heiß diskutiert, wird Section 5193.1 (d) (4) (F) 6.:

Barrier protection for the eye, skin, and mucous membranes. The employer shall not permit ejaculation onto the employee’s eyes, non-intact skin, mouth or other mucous membranes.

Sollte diese Richtlinie in Kraft treten, dann wird nur noch mit Schutzbrille gedreht.

Zur Ritze

Bundespatentgericht, Beschluss vom 9. September 2013 (Az.: 27 W (pat) 534/13):

In der Beschwerdesache betreffend die Markenanmeldung 30 2011 062 170.5 hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am 9. September 2013 durch Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Kruppa und Richterin Kopacek beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

Die Markenstelle hat die Anmeldung der Wort-Bild-Marke für die Dienstleistungen der Klasse 35, 41 und 43 mit Beschluss vom 5. März 2013 nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG zurückgewiesen. Dies hat sie damit begründet, die Marke enthalte einen frauenverachtenden Hinweis auf eine Vagina.

Die Anmelderin hat gegen den ihr am 12. April 2013 bekannt gegebenen Beschluss am Montag, dem 13. Mai 2013, Beschwerde eingelegt und diese damit begründet, „Ritze“ habe Bedeutungen ohne vulgären Anklang. Laut Duden stehe es „derb“ für „Vagina“. „Derb“ sei nicht „vulgär“ und nicht frauenverachtend. Das Logo werde von seriösen Medien anstandslos abgedruckt und auch in der Berichterstattung über die Kult-Kneipe gezeigt. Die Stadt Hamburg habe gegen das Kneipenschild noch nie Einwände erhoben.

Sie beantragt, den Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Marke einzutragen.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

§ 8 Abs.2 Nr.5 MarkenG nimmt Kennzeichnungen vom Markenschutz aus, welche gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen.

„Ritze“ ist laut Duden zwar zunächst ein völlig unverfängliches Wort der deutschen Sprache für eine „schmale, längliche Spalte zwischen zwei Teilen, die nicht restlos zusammengefügt sind (Duden – Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. Mannheim 2006). Auch kann es wie „Ficken“ ein Familienname sein (vgl. BPatG BeckRS 2011, 21631 – Ficken; GRUR-Prax 2012, 87 – Ficken Liquors). Es steht jedoch laut Duden auch in „derber“ Form für „Vagina“.

Dass Wörter, die im Allgemeinen völlig unverfängliche Bedeutungen haben und nur umgangssprachlich Geschlechtsteile bezeichnen, nimmt diesen Wörtern aber dann die Eintragungsfähigkeit als Marke, wenn die beanspruchten Waren und Dienstleistungen oder sonstige Zeichenbestandteile ein Verständnis im vulgären Sinn nahelegen. Das ist hier durch die Graphik gegeben, die mit der Darstellung von gespreizten Beinen in Damenstrümpfen das von der Markenstelle derb-anatomische Verständnis aufdrängt.

Selbst derbe und geschmacklose Ausdrücke und Darstellungen können zwar noch eintragungsfähig sein, da eine ästhetische Prüfung auf Anforderungen des guten Geschmacks nicht Gegenstand des markenrechtlichen Eintragungsverfahrens ist (BPatG GRUR-Prax 2012, 87 – Ficken Liquors; BPatG Beschl. v. 3.8.2011 – 26 W (pat) 116/10, BeckRS 2011, 21631 – Ficken). Die Grenze zur Sittenwidrigkeit ist hier aber überschritten.

Der Begriff der guten Sitten ist der sittlichen Auffassung, dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden (vgl. BGHZ 10, 228, 232) zu entnehmen. Dabei kommt es nicht auf eine Mehrheit im rechnerischen Sinn, sondern darauf an, ob eine Marke geeignet ist, das Empfinden eines beachtlichen Teils der Verkehrskreise zu verletzen, indem sie anstößig wirkt oder eine grobe Geschmacksverletzung enthält (BGH GRUR 1964, 136, 137- Schweizer). Maßgeblich hierfür ist weder eine übertrieben laxe, noch eine besonders feinfühlige Meinung des durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers (BPatG Mitt. 1983, 156 – Schoasdreiber).

Von der Schutzunfähigkeit des vorliegenden Zeichens ist auszugehen, weil es das Scham- oder Sittlichkeitsgefühl eines wesentlichen Teils des Publikums durch geschlechtsbezogene Angaben verletzt. Im Zusammenhang mit der Graphik handelt es sich bei „Ritze“ um einen äußerst vulgären Ausdruck, der das Sittlichkeitsgefühl eines erheblichen, zu respektierenden Personenkreises verletzt (vgl. hierzu BGH GRUR 1995, 592, 595 – Busengrapscher; BPatG 26 W (pat) 107/97 – Schenkelspreizer).

Davon führt die Kombination mit „Zur“ nicht weg. Zwar enthalten viele unverfäng- liche Namen von Lokalen diesen Zusatz. Er enthält aber auch eine wegweisende Bedeutung, die im Zusammenhang mit einer Vagina vulgär ist und „Zur Ritze“ nicht ausschließlich als Name eines Lokals wirken lässt.

Dass die Stadtverwaltung Hamburg die Darstellung an einem Lokal auf der Reeperbahn nicht beanstandet, sagt nichts darüber aus, dass diese Darstellung außerhalb dieses Bereichs ebenfalls keinen Anstoß erregt.

Dass Medien dieses Zeichen zeigen, belegt dies ebenfalls nicht, da Medien auch andere anstoßerregende Bilder und Texte in Werbung und redaktionellen Texten veröffentlichen.

(via KompaLaw)