Schlagwort-Archive: Schmähkritik

Bushido, der Beleidiger

Bushido ist wegen Beleidigung einer TV-Container-Insassin über Facebook und Twitter zur Zahlung von 8.000 Euro verurteilt worden. Nach Ansicht des Landgerichts Berlin waren alle vier Äußerungen – „XXX du Nutte!!!!!!!!“, „XXX du Kacke!!!“, „XXX sieht aus wie ne Mischung aus Der Joker, nem Schimpansen, Michel Jackson und Tatjana Gsell“ sowie „XXX hat so nen ekligen Zellulitiskörper pfui Teufel“ – als Schmähkritik einzustufen. Die Klägerin hatte Geldentschädigung von 100.000 Euro gefordert, aber dies erschien dem Gericht unangemessen, weil Äußerungen von Rappern mit ihrer teilweise unsachlichen und überzogenen Tendenz vom verständigen Durchschnittsbürger nicht für bare Münze genommen werden.

Die nackte Oberbürgermeisterin

Der für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige 4.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat am 16. April 2010 den Antrag der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

Zum Sachverhalt:

Die Verfügungsbeklagte hatte im Internet ein Gemälde mit dem Titel „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“ veröffentlicht, auf dem die Oberbürgermeisterin nackt – lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette „bekleidet“ – zu sehen war. Im Zusammenhang mit dem Tag des offenen Ateliers in Dresden wurde das Gemälde – neben anderen Bildern der Künstlerin –  am 15. November 2009 in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Nachdem die Malerin die Aufforderung auf Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes abgelehnt hatte, stellte Oberbürgermeisterin Orosz Antrag auf Erlass einer  Einstweiligen Verfügung. Das Originalgemälde ist zwischenzeitlich verkauft.

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Meinungsfreiheit für Papamobil

Pressemitteilung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zu den Urteilen vom 8.März 2010 (Az. 10 B 09.1102 und 10 B 09.1837):

Die Verfügungen der Polizei gegen das 2006 in München beim Christopher-Street-Day mitgeführte „Papamobil“, mit dem Kritik an der Einstellung des Papstes gegenüber Homosexuellen geäußert wurde, waren rechtswidrig. Das hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einer Entscheidung vom heutigen Tag festgestellt und die entgegenstehenden Urteile des Verwaltungsgerichts München aufgehoben.

Die Kläger wollten am Christopher-Street-Day, einem Aufzug, mit dem gegen die Ausgrenzung und Diskriminierung homosexueller Menschen demonstriert wird, mit einem als „Papamobil“ bezeichneten LKW teilnehmen, auf dessen Ladefläche eine Puppe saß, auf deren Messgewand das doppelte Symbol für „männlich“ aufgestickt war. An den Seitenwänden des Lkw waren vier Plakate angebracht, auf denen jeweils Papst Benedikt XVI. zusammen mit folgenden Aussagen abgebildet war: „Homosexuelle Beziehungen sind zutiefst unmoralisch. Homosexualität ist eine schwere Sünde! Homosexuellen ist „mit Achtung, Mitleid und Takt zu begegnen!“ Homosexuelle sind „gerufen, ein keusches Leben zu führen“. Auf allen Bildern war der Papst, dem eine Aids-Schleife an die weiße Soutane angeheftet war, mit einem übergezogenen Kondom am kleinen Finger der rechten Hand zu sehen. Auf zwei der Bilder waren Mund und Augen des Papstes geschminkt sowie die unter dem Pileolus hervorragenden Haare gefärbt. Auf diesen beiden Bildern hielt der Papst zusätzlich zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand ein weiteres Kondom. Die herbeigerufene Polizei, die von einer Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ausging, forderte den Verantwortlichen des Wagens auf, die Papstpuppe unsichtbar auf der Ladefläche des Lkw zu verstauen und die Fotomontagen des Papstes zu entfernen. Das eingeleitete Strafverfahren gegen einen der Kläger war von der Staatsanwaltschaft eingestellt worden.

Anders als die Vorinstanz und die Polizei bewertete der Verwaltungsgerichtshof entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts das „Papamobil“ als satirische Kritik, die von der Meinungsfreiheit des Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt gewesen sei. Angesichts des Anlasses, bei dem der Lkw mitgeführt werden sollte, sowie der textlichen Aussagen auf den Plakaten sei von einer inhaltlichen Auseinandersetzung mit der Einstellung der katholischen Kirche und ihrem Oberhaupt zu homosexuellen Lebensweisen auszugehen. Diese Kritik sei im Rahmen der öffentlichen Meinungsbildung hinzunehmen. Auch die satirische Einkleidung erfülle noch nicht den Tatbestand der Schmähkritik, weil es den Klägern um eine Auseinandersetzung um die Sache und nicht nur darum gegangen sei, die auf den Bildern dargestellte Person verächtlich zu machen. Die satirische Verfremdung der Bilder des Papstes sei so deutlich zu erkennen, dass ein unvoreingenommenes und verständiges Publikum nicht zu der irrigen Einschätzung gelangen könne, der Papst sei homosexuell oder empfehle homosexuellen Personen den Gebrauch von Kondomen. Daher setze sich im vorliegenden Fall die Meinungsfreiheit der Kläger gegen das Persönlichkeitsrecht des Papstes durch.

Der BayVGH hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen kann Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig eingelegt werden.

Die schriftlichen Entscheidungsgründe werden in einigen Wochen vorliegen.