Schlagwort-Archive: Sendezeitbegrenzung

Kein Weihnachtsfrieden

Leider ist eine alte behördliche Tradition aus der Mode gekommen, nämlich der so genannte Weihnachtsfrieden. Dieser begann für gewöhnlich eine Woche vor Weihnachten und endete Anfang Januar des nachfolgenden Jahres. In dieser Zeit wurden keine belastenden Bescheide und ablehnenden Verwaltungsakte erlassen.

Mit Datum vom 20. Dezember 2010 versendete die bayerische Landesmedienanstalt (BLM) einen Bußgeldbescheid gegen meinen Mandanten. Ihm wird vorgeworfen,

Inhalte verbreitet oder zugänglich gemacht zu haben, welche Darstellungen enthalten, die geeignet sind die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen, ohne das durch technische oder sonstige Mittel oder durch zeitliche Begrenzung auf 23:00 Uhr bis 06:00 Uhr sichergestellt wurde, dass die Wahrnehmung Kindern oder Jugendlichen unmöglich gemacht oder wesentlich erschwert wurde.

Frohes Fest!

Jugendschutz 2.0

Anbieter von Social Networks und Zugangsprovider könnten demnächst stärker von den Jugendmedienschützern ins Visier genommen werden. Das legt ein aktueller Entwurf der Rundfunkkommission der Länder zur Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV-E) nahe.

Zu diesem Entwurf werden heute Unternehmen, Verbände und weitere Interessengruppen in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei angehört. Vorab sind u.a. die folgenden Stellungnahmen eingegangen: 1und1 Internet AG, BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., FSM Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V., Verbraucherzentrale Bundesverband.

Wesentliche Kritikpunkte sind der ausufernde Anbieterbegriff in § 3 Nr. 2 JMStV-E, Alterskennzeichnung und Sendezeitbegrenzung bei so genannten entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten in § 5 JMStV-E, die Definition von Jugendschutzsystemen in § 11 JMStV-E, die neuen Ordnungswidrigkeiten in § 24 JMStV-E sowie die fehlende Normenklarheit der vorgenannten Regelungen.

Eine merkwürdige Meinung vertritt der AK-Zensur zum Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags:

Im Bereich der Pornographie dient er nicht dem Schutz von Jugendlichen, sondern dient der Marktabschottung der inländischen Porno-Industrie vor ausländischer Konkurrenz. Der Beifall der deutschen Porno-Produzenten ist ihm daher sicher.

Ich halte die Ohren offen. Konnte aber bislang noch nicht den leisesten Beifall vernehmen. Hier liegt wohl ein kleines Missverständnis vor.

(Bild: Wikipedia)

Das Jahr 2010: Rückblick durch die Glaskugel

Januar 2010: Die 10. Staffel von Big Brother startet mit einem deftigen Sexskandal. Jedoch bleibt die von RTL2 erwartete mediale Aufgeregtheit aus, insbesondere werden keine Verbotsforderungen laut.

Februar 2010: Pro7 versucht mit 50 pro Semester ebenfalls im horizontalen TV-Gewerbe zu punkten. Macht aber frühzeitig schlapp. Dagegen betonen die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ihren Auftrag zu Grundversorgung und Qualitätsjournalismus. Die GEZ-Gebühren werden umgehend erhöht.

März 2010: Obwohl die gesetzlichen Regelungen zu Sendezeitbegrenzung für Erotikseiten im Internet und Jugendschutzprogrammen überarbeitungsbedürftig sind, wird die für das Frühjahr geplante Novellierung des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags auf unbestimmte Zeit verschoben.

April 2010: Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien indiziert mehrere Alben von Pornorappern sowie die neue DVD von Rammstein, weil der schweizerische Konzertmitschnitt den Titel „Ich tu Dir weh“ enthält und dreimal „Aua“ gesungen wird.

Mai 2010: Nach der nordrhein-westfälischen Landtagswahl öffnen sich – plötzlich und völlig unerwartet – riesige Löcher im Staatshaushalt. Daraufhin kommen Vorschläge wie eine höhere Umsatzsteuer für Erotikliteratur erneut auf den Tisch.

Juni 2010: Aufgrund aktueller Todesfälle bei Jugendlichen, ausgelöst durch Komasaufen, Chatten in Suizidforen, Non-Stop-Facebooken oder Amoklauf, fordert Jugendministerin Köhler eine drastische Verschärfung der Jugendschutzgesetze. Umgehend wird in Berlin ein Runder Tisch einberufen. Experten sind sich über die Ursachen uneinig. Trotzdem will Prof. Pfeiffer ein sofortiges Verbot.

Juli 2010: Google veröffentlicht Version 3.0 von Android mit überarbeiteter Funktionalität „Augmented Reality„. Sofort kursieren mehrere Porno-Apps im Internet. Der Aktienkurs von Google Inc. steigt um weitere 12 Prozent.

August 2010: Der deutsche Werberat rügt ein Unternehmen, das Hundefutter/Kaffeefilter/Modeschmuck/Putzlappen produziert. In der Pressemitteilung heißt es: „Die Anzeige/Kampagne/Werbung von XXX ist demütigend/beleidigend und menschenunwürdig. Das Unternehmen versucht seine armselige/nichtsnutzige Botschaft mit erotischen/sexuellen Anspielungen und den Bildern leicht/nicht-bekleideter weiblicher Ober-/Unterkörper zu transportieren.“

September 2010: Nachdem Großbritannien/Lettland/Kuba/Thailand mit Internetsperren große Erfolge im Kampf gegen illegales Filesharing/Pornografie/Sportwetten/Killerspiele/Catcontent/Hasspropaganda feiert, fordert der deutsche Innenminister/Kardinal/BKA-Präsident eine Gesetzesänderung. Er betont, dass das Internet kein rechtsfreier Raum sei und Sperrungen zu keinen grundrechtsrelevanten Eingriffen führen würden.

Oktober 2010: Das dreiundfünfzigste Medienkompetenzprojekt einer Jugendschutzbehörde/Landesmedienanstalt/Familienministerin wird feierlich gestartet. Es hört auf den Namen: UnKeN – Unsere Kinder (sicher) im Netz.

November 2010: Wenige Tage nach Einführung von Nacktscannern an deutschen Flughäfen werden schwarz-weiße Schmuddelfotos von Promis und Politikern veröffentlicht und FKK-Airlines nimmt die erste A320 in Betrieb

Dezember 2010: Die Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) wählt „Porno“ zum Wort des Jahres. In der Begründung heißt es: „Porno war seit Anfang des Jahres in der öffentlichen Diskussion präsent und verbreitete sich weit über den Wortsinn hinaus.“ Auf den folgenden Plätzen landen Aufwrackprämie, Klimapanik, Bummdidumm, Lurch, Abmahnistan, Nacktflug, Westerwellen und Wurstsalat.

Mal wieder Zahlen

internet-porn

Heute war es mal wieder soweit: Ein Journalist rief an und begehrte Zahlen zur Erotikbranche. Wie hoch sind die Umsätze in der Branche? Wie viele Firmen betreiben Websites, mit wie vielen Mitarbeitern und Darstellern und… ? Meine Auskunft ist immer gleich: Leider gibt es kein verlässliches Zahlenmaterial.

Gerne beantworte ich alle Fragen rund um rechtliche Themen. Ich habe Journalisten informiert über Sendezeitbegrenzungen für Erotikseiten, zum Fanny-Hill-Urteil (dpa) etc. pp.  Aber wenn es um Zahlen geht, muss ich Good M. (2007) vertrauen:

Sendezeitbegrenzung für Erotikseiten im Internet

Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) geht gemeinsam mit der bundesweiten Kontrollstelle jugendschutz.net verstärkt gegen „entwicklungsbeeinträchtigende Angebote“ wie Erotik-Webseiten vor, die ihre Inhalte nicht durch passende technische Mittel oder zeitliche Beschränkungen vor Kindern und Jugendlichen abschotten. „Wir haben angefangen, entsprechende Verfahren zu eröffnen“, erklärte Verena Weigand, Leiterin der Stabsstelle der Jugendschutzaufsicht der Länder, gegenüber heise online.

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