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Hoert, hoert!

Der von mir hochgeschätzte Prof. Hoeren hat sein aktualisiertes Skriptum Internetrecht veröffentlicht. Aber ausgerechnet im Jugendschutzrecht (S.530f.), zu dem er sich vor einem Jahr noch abfällig äußerte – „man wird den Verdacht nicht los, daß hier Legastheniker am Werke waren, die erst nach mehrfachen Anläufen ihr Jurastudium an irgendeiner C-Universität zu Ende gebracht haben“ -, sind in drei Absätzen drei Fehler enthalten:

  • Zunächst wird § 184c StGB zitiert, der vor drei Jahren mit Neuregelung der Jugendpornografie zu § 184d StGB geworden ist.
  • Dann wird behauptet, dass ein Altersverifikationssystem „der Zulassung durch die als Aufsichtsbehörde für sämtliche Anforderungen nach dem JMStV eingerichteten Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) bedarf.“ Nein, nur Jugendschutzprogramme bedürfen der Anerkennung. Andere Systeme nicht.
  • Schließlich wird der Eindruck erweckt, dass Altersverifikationssysteme „eine einmalige persönliche Identifizierung der Nutzer“ durchführen müssen. Als Beleg wird das ueber18.de-Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2007 zitiert. Jedoch erlaubt dieses Urteil ausdrücklich eine „rein technische Altersverifikation“, die mit einem „entsprechend zuverlässig gestalteten Webcam-Check“ erfolgt.

Der neue JMStV

Es wird Zeit, dass der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft tritt, denn es mehren sich die Verfahren wegen Verbreitung entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte. Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte dürfen gemäß dem geltenden § 5 JMStV nur zwischen 22 Uhr bzw. 23 Uhr und 6 Uhr im Internet gezeigt werden. Diese Regelung nennt sich Sendezeitbegrenzung, steht seit 2003 im Staatsvertrag und ist der Röhrenradio-Weltsicht des Gesetzgebers geschuldet.

Leider wurde es im Rahmen der JMStV-Novellierung versäumt die Sendezeitbegrenzung abzuschaffen. Stattdessen dürfen Internetanbieter ab 1. Januar 2011 eine „freiwillige“ Alterskennzeichnung ihrer Websites vornehmen. Alterskennzeichen sind keine gute Lösung, aber besser als Sendezeiten. Der Teufel wird mit dem Beelzebub ausgetrieben.

Schade, dass sich die Debatte im Netz nicht mit den weiteren Problemfeldern des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages beschäftigte. Beispielsweise den strengeren Vorschriften für Altersverifikationssysteme oder den Sperrungsverfügungen. Besonders die Möglichkeit von Sperrungsverfügungen nach § 20 Abs.4 JMStV i.V.m. § 59 Abs.4 RStV birgt eine Sprengkraft, die weit über das Zugangserschwerungsgesetz hinausgeht.

Foto: Schreiben aus aktuellen Verfahren wegen Verbreitung so genannter entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte von den folgenden Landesmedienanstalten: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK).

Ausweis mit Mängeln

Am 1. November 2010 startet die Einführung des ePA neuen Personalausweises. Bereits im Vorfeld wurden gravierende Mängel festgestellt. PlusMinus prüfte in Zusammenarbeit mit dem Chaos Computer Club die Basis-Lesegeräte. Offenbar ist es  problemlos möglich, sensible Daten abzufangen – einschließlich der geheimen PIN. Der PlusMinus-Bericht wird am heutigen Dienstag um 21.50 Uhr auf ARD versendet.

Zusätzlich schießt die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) im jüngsten Halbjahresbericht gegen den Personalausweis, soweit er zur „Volljährigkeitsprüfung mittels persönlicher Identifizierung“ eingesetzt werden soll. Denn er sei „keinesfalls per se als Authentifizierungsinstrument geeignet, auch wenn im Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu § 18 Abs. 1 Personalausweisgesetz (PAG) ausdrücklich festgehalten wird, dass der Personalausweis vom Personalausweisinhaber dazu verwendet werden kann, seine Identität gegenüber Dritten elektronisch nachzuweisen.“

Ey, Alter!

Am 10. Juni 2010 wurde der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ministerpräsidial auf den Weg gebracht. Seit einigen Tagen liegt nun auch die Begründung zu diesem Gesetzeswerk vor. Bei genauerem Lesen entsteht der Eindruck, dass altersmäßig eine große Begriffsvielfalt, wenn nicht sogar -verwirrung herrscht. Hier mal einige Zitate aus der JMStV-Begründung:

Wesentliche Neuerung der Novellierung ist die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung von Internetangeboten.

Die Novellierung legt die Altersstufen des Jugendschutzgesetzes zu Grunde, sodass ein nutzerfreundliches, alle elektronischen Medien einschließendes Alterskennzeichnungssystem etabliert wird.

Erziehungsberechtigte können zum Schutz minderjähriger Kinder vor nicht altersgerechten Angeboten ein Jugendschutzprogramm installieren und aktivieren.

Anbieter werden privilegiert, die ihr Angebot freiwillig mit einer Altersstufe kennzeichnen.

Absatz 2 Satz 1 enthält die neu geregelte Möglichkeit für Anbieter, freiwillig Inhalte altersgemäß zu kennzeichnen.

Aus § 12 ergibt sich, dass das Alterskennzeichen neben der technischen Komponente auch eine visuelle Komponente beinhaltet.

Die technische Komponente soll von anerkannten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden können, sodass bei deren Einsatz ein altersdifferenzierter Zugang zum Internet ermöglicht wird.

Wird die Alterskennzeichnung durch eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgenommen oder bestätigt, bestimmt Satz 4 2. Halbsatz, dass die Aufsichtsbehörde die Alterskennzeichnung nur dann beanstanden kann, wenn die Einrichtung bei der Altersbewertung ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat.

Anforderungen an ein Altersverifikationssystem sind wesentlich höher.

Als Alternative eröffnet der Staatsvertrag den Anbietern weiterhin die Möglichkeit, durch eine bestimmte zeitliche Einschränkung des Verbreitens oder Zugänglichmachens des Angebots der Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 nachzukommen.

Die Altersstufe „12 Jahre“ wurde unter Berücksichtigung der Altersgrenzen des Jugendschutzgesetzes gewählt.

Durch eine technisch auslesbare Kennzeichnung stellt der Anbieter sicher, dass seine Inhalte durch ein Jugendschutzprogramm nicht gefiltert werden und für Kinder und Jugendliche der entsprechenden Altersgruppe erreichbar sind.