Nach erster Lesung im Bundestag ist ein Regierungsentwurf zur Änderung des Tierschutzgesetzes in den Agrarausschuss überwiesen worden. Für die Anhörung kommende Woche hat der Ausschuss einen Fragenkatalog an Verbände und Sachverständige versendet, unter anderem mit Frage 23:
Wie beurteilen Sie die Diskussion um bzw. die Vorschläge für ein Sodomieverbot, die von Verbänden, aber auch seitens der Regierung vorgebracht werden?
Aus der Antwort des Deutschen Tierschutzbundes:
Wir fordern ein solches Verbot schon seit vielen Jahren. Es muss unabhängig davon gelten, ob Schmerzen, Leiden oder Schäden am Tier erkennbar sind oder nicht.
Als Sodomie, auch Zoophilie, bezeichnet man im allgemeinen Sprachgebrauch die Vornahme beischlafähnlicher, sexuell motivierter Handlungen eines Menschen an einem lebenden Tier. In der Regel unterscheidet man dabei drei Arten des sexuellen Vergehens an Tieren:
- Rein sexuell motiviert: das Tier wurde schon als Welpe darauf konditioniert, wobei die widernatürliche Fehlprägung auf den Menschen in der Regel nur durch Gewalt (Zwang oder Strafe) erreicht werden kann.
- Sadistisch motiviert (sog. Zoosadismus): Erregung erfolgt, indem einem Tier Qualen zugefügt werden.
- Beide Motive werden erfüllt.
Die Praktiken umfassen Analverkehr, Oralverkehr, das Einführen von Gegenständen in die Genitalien bis hin zur Tötung des Tieres. Opfer sexuellen Missbrauchs sind Hunde, Schafe, Schweine, Ziegen, Pferde, Esel, Kühe, aber auch Kleintiere wie Hühner und Katzen. Insbesondere Kleintiere werden bei der Penetration erheblich verletzt und sterben qualvoll. Neben dem generell hohen Verletzungsrisiko ist auch die Würde des Tieres berührt, da hier ein natürlicherweise nicht vorkommendes Verhalten gefördert wird.
Aus der Antwort von Dr. Thorsten Gerdes, Richter am Landgericht Detmold:
Seit der Abschaffung von § 175 b StGB im Jahr 1969 sind sexuelle Handlungen an Tieren nur noch strafbar, soweit die Voraussetzungen des Tierquälereitatbestandes (§ 17 Nr. 2 b TierSchG) verwirklicht sind. Konkret heißt dies, dass die Tathandlung für das Tier mit erheblichen und länger anhaltenden oder sich wiederholenden Schmerzen oder Leiden verbunden sein muss.
In den Kommentaren zum Tierschutzgesetz findet sich bereits seit einigen Jahren die Forderung sexuelle Handlungen an Tieren explizit zu pönalisieren, wobei zur Begründung angeführt wird, der status quo sei in Anbetracht der „Würde“ der Tiere sowie der durch Art. 20a GG begründeten verfassungsrechtlichen Stellung des Tierschutzes unzureichend.
Im politischen Diskurs ist dieses Ansinnen nunmehr durch den alternativen Gesetzesvorschlag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen aufgegriffen worden. Der insoweit formulierte Regulierungsvorschlag sieht vor, das Verursachen erheblicher Schmerzen oder Leiden oder länger anhaltender oder sich wiederholender Schmerzen nicht nur dann zu bestrafen, wenn der Täter aus Rohheit handelt, sondern auch dann, wenn dies „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ dient. Berichte aus der Tagespresse scheinen nahezulegen, dass seitens der Bundesregierung die Einführung eines Ordnungswidrigkeitentatbestands in Erwägung gezogen wird.
Vor dem Hintergrund eines modernen Staatsverständnisses geben diese Überlegungen Anlass zur Kritik:
Strafnormen dienen dem Schutz einzelner oder der Allgemeinheit. Als „ultima ratio“ des Rechtsgüterschutzes soll das Strafrecht nur dann zum Einsatz kommen, wenn ein bestimmtes Verhalten über sein Verbotensein hinaus in besonderer Weise sozialschädlich und für das geordnete Zusammenleben der Menschen unerträglich, seine Verhinderung daher besonders dringlich ist. Das Strafrecht darf dabei nicht mehr verbieten, „als zur Erreichung friedlicher und freiheitlicher Koexistenz erforderlich ist.“ Vor diesem Hintergrund besteht in der Strafrechtswissenschaft ein Konsens darüber, dass der Schutz der Sozialmoral allein den Einsatz des Strafrechts nicht zu rechtfertigen vermag.
Der strafrechtliche Schutz der Tiere ist damit per se eine schwierige „Grenzfrage“, denn das Rechtsgut der „Integrität des Tiers“ fügt sich in die liberale Staatskonzeption des Grundgesetzes nicht ohne weiteres ein. Wenngleich die verfassungsrechtliche Anerkennung des Tierschutzrechts seit der im Jahr 2002 erfolgten Ergänzung von Art. 20 a GG keine grundsätzlichen Probleme mehr bereitet, sollte der Gesetzgeber bedenken, dass hier im Ausgangspunkt gleichwohl ein Spannungsverhältnis besteht, welches durch den fragwürdigen Topos der „Würde des Tiers“ verschärft würde. Keinesfalls ergibt sich aus Art. 20 a GG ein Gebot, die Zoophilie mit Bußgeldern zu belegen oder unter Strafe zu stellen.
Ungeachtet der Frage, ob der Weg des Strafrechts oder des Ordnungswidrigkeitenrechts gewählt wird, befände sich ein Tatbestand wie § 175 b StGB (a.F.), der allein an die Vornahme einer sexuellen Handlung anknüpft, in gefährlicher Nähe zu einer bloßen Pönalisierung abweichenden Verhaltens um seiner selbst willen. Die erheblichen Auslegungsprobleme, die der Tatbestand in der Vergangenheit gebracht hat, sollten insoweit ein zusätzliches Warnzeichen sein.
Die liberale Stoßrichtung der Rechtsgutstheorie widerspricht auch dem Vorschlag der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen, lediglich den subjektiven Tatbestand des Delikts der Tierquälerei um die Worte „zur Befriedigung des Geschlechtstriebes“ zu erweitern. Denn selbst wenn hiermit nur eine Klarstellung beabsichtigt wäre, erführe das mit der Tierquälerei verbundene Handlungsunrecht gleichwohl eine Neuakzentuierung, die implizit wiederum auf die problematische Anerkennung einer Tierwürde hinausliefe.
Darüber hinaus lässt die gegenwärtig geführte Debatte ein klares kriminalpolitisches Bedürfnis nicht erkennen. Das Argument, in Deutschland seien Tierbordelle denkbar, mutet mangels konkreter Fälle als eher theoretisches Szenario an, zumal § 17 TierSchG auch bereits in seiner jetzigen Form geeignet sein dürfte, einen derartigen Extremfall zu erfassen. Ferner sei auf Folgendes hingewiesen:
Es ist zu befürchten, dass eine Ausweitung der Kriminalisierung der Zoophilie neben organisierten Zoophilen vor allem in Reifeprozessen verzögerte Jugendliche sowie psychisch erkrankte Täter treffen würde. Unter spezial- und/oder generalpräventiven Gesichtspunkten mag man zweifeln, ob bei den letztgenannten Tätergruppen der Einsatz repressiver Mittel angezeigt ist, zumal insoweit auch die unter Umständen stigmatisierende Wirkung einer plakativen Prozessberichterstattung zu berücksichtigen wäre.
Vor dem Hintergrund dieser Argumente verwundert es nicht, dass seitens ausgewiesener Strafrechtswissenschaftler die Forderung nach Einführung eines Zoophilie-Tatbestandes bislang nicht erhoben wurde.