Seit mehreren Jahren streite ich mit Landesmedienanstalten über die Frage, ob Bußgelder verhängt werden dürfen, wenn Internetanbieter vollerotische Videos zeigen, ohne die Volljährigkeit der Zuschauer zweifelsfrei sicherzustellen. Ein Blick ins Gesetz scheint die staatlichen Jugendschützer zu bestätigen, denn die einschlägige Regelung in § 24 Absatz 1 Nr. 2 JMStV besagt, dass
„ordnungswidrig handelt, wer als Anbieter vorsätzlich oder fahrlässig, entgegen § 4 Absatz 2 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 Angebote verbreitet oder zugänglich macht, die in sonstiger Weise pornografisch sind.“
Jedoch steht diese landesrechtliche Vorschrift in Konkurrenz zum Strafgesetzbuch. Soll heißen: Weil der Bund eine Pornografieverbreitung ohne ausreichende Altersprüfung bereits in § 184 StGB unter Strafe stellt und damit Gebrauch von seiner konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz macht, sind die Länder nicht „kompetent“ ein eigenes Gesetz zu erlassen bzw. das erlassene Gesetz ist verfassungswidrig.
Bislang kam es zu keiner gerichtlichen Entscheidung über die Verfassungswidrigkeit, weil Verjährungen oder andere Gründe die Verfahren beendeten. Nun schreibt die Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM) in einem aktuellen Fall:
„Soweit Sie ausführten, die streitgegenständlichen Regelungen des JMStV seien wegen fehlender Gesetzgebungskompetenz formell verfassungswidrig, muss dem der klare Wortlaut des § 24 Absatz 1 Nr.2 JMStV entgegengehalten werden.“
Diese Argumentation ist juristisch schamhaarsträubend, denn jedes verfassungswidrige Gesetz hat einen mehr oder minder „klaren Wortlaut“. Wer zur Prüfung der Verfassungswidrigkeit nicht vom Regelungsgehalt eines Gesetzes ausgeht, sondern nur von der Regelungsklarheit, der kann auch Folter oder Todesstrafe einführen. Das entsprechende Gesetz müsste lediglich einen „klaren Wortlaut“ haben, um mit der Verfassung in Einklang zu stehen.
Im Übrigen sind auch alle anderen Ordnungswidrigkeiten nach § 4 JMStV verfassungswidrig, soweit ein identischer Straftatbestand vorliegt.