Der gefickte Esel

Wird ein Fussballverein zur Zahlung einer Geldstrafe durch das Verbandssportgericht verurteilt, weil ein Zuschauer durch den Zuruf „Fick Deinen Esel“ einen gegnerischen Spieler beleidigt, so hat der Verein gegen den Zuschauer einen Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung eines Gefälligkeitsverhältnisses eigener Art mit besonderen Sorgfaltspflichten im Sinne des §§ 280, 241 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB analog. (Leitsatz)

Amtsgericht Lingen, Urteil vom 17. Februar 2010 (Az.: 4 C 1222/09):

1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 430,00 Euro und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.8.2009 zu zahlen.

2.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 96,39 Euro und Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hierauf seit dem 23.8.2009 zu zahlen.

3.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.

4.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5.) Der Streitwert für den Rechtsstreit wird festgesetzt auf 430,00 Euro.

Tatbestand

Auf die Abfassung eines Tatbestandes wird gem. § 313a ZPO verzichtet.

Entscheidungsgründe

I.
Der Kläger hat gegenüber dem Beklagten einen Anspruch von Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 430,00 Euro aus Verletzung eines Gefälligkeitsverhältnisses eigener Art mit besonderen Sorgfaltspflichten im Sinne des §§ 280, 241 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 Nr. 3 BGB analog.

Zwischen dem Beklagten und dem Kläger bestand ein solches vertragsähnliches Sonderschuldverhältnis.

Hierunter sind solche Sonderverbindungen zu verstehen, die keine Leistungspflichten, jedoch gem. § 242 BGB Schutz- und Treuepflichten begründen (Palandt-Grüneberg, § 311, Rz. 24). Ein Rechtsbindungswille ist nicht erforderlich (Prütting/Wegen/Weinreich-Schmidt-Kessel, § 241, Rz. 34) Insoweit sind im Rahmen der Rechtsfortbildung Schuldverhältnisse ohne primäre Leistungspflichten grundsätzlich anerkannt worden. Bei diesen Schuldverhältnissen steht die gegenseitige Rücksichtnahme auf Rechte, Interessen und Güter des anderen Teils im Vordergrund. Schutzgut ist dabei in erster Linie das Integritätsinteresse (Palandt-Ellenberger, Einl vor § 241, Rz. 4).

Auch in diesen Fällen einer vertraglichen Sonderverbindung gilt die Haftungsgrundlage des § 280 BGB (MüKo-Ernst, § 280, Rz. 2, 89; Palandt-Grüneberg, § 280, Rz. 8). Insoweit wird nunmehr auch außerhalb von Vertragsverhältnissen mit primärer Leistungspflicht die Existenz von Schutzpflichten akzeptiert (MüKo-Kramer, Einl, §Rz 37).
Dies entspricht dem Umstand, dass im Rahmen der vertraglichen Sonderverbindung der Geschädigte oftmals seine Rechtsgüter in erheblichem Maß einer erhöhten Einwirkungsmöglichkeit ausgesetzt und damit ein besonderes Vertrauen gegenüber dem späteren Schädiger dokumentiert hat (MünchKomm-Kramer, Einl, Rz. 38, 91).

Im vorliegenden Fall haben hat der Kläger den Zuschauern des Fußballspiels und damit auch dem Beklagten unentgeltlich sein Stadion zur Verfügung gestellt. Damit erwies er dem Beklagten gegenüber ein besonderes Vertrauen. Der Kläger durfte dabei davon ausgehen, dass der Beklagte die allgemeingültigen gesellschaftlichen Umgangsformen beachtet, die erforderliche Rücksicht und Sorgfalt walten lässt und die Vereinsinteressen des Klägers nach außen hin wahrt. Dies gilt um so mehr, als dem Beklagten als Vater eines der Fußballspieler bekannt sein mußte, dass gerade im Rahmen von Fußballspielen jegliches Fehlverhalten – ob tätlicher oder nur verbaler Art – durch Sportverbände geahndet wird.

Entgegen seinen Verpflichtungen hat der Beklagte während des Fußballspiels jedoch gegen die ihm auferlegten Sorgfalts und Rücksichtsnahmeanforderungen verstoßen.
Vielmehr hat er sich hinreißen lassen und zumindest die beleidigende Äußerung „Fick Deinen Esel“ gegenüber einem der … Spieler getätigt. Dieses Verhalten seitens des Beklagten stellt eine Pflichtverletzung dar, die auch dann nicht zu rechtfertigen ist, wenn er zuvor seinerseits durch Spieler des … provoziert worden sein sollte.

Denn zu bedenken ist zum einen, dass es sich bei den Fußballspielern im vorliegenden Fall um Jugendliche gehandelt hat, bei denen es im Eifer des Gefechtes aufgrund fehlender Reife und mangelndem Verantwortungsbewußtsein nach der Lebenserfahrung immer wieder leicht zu verbalen Entgleisungen kommt.

Hinzunehmen sind diese zwar nicht. Keineswegs ist darauf jedoch mit Beleidigungen und Beschimpfungen in derselben Art und Weise zu reagieren, was lediglich dazu führen würde, dass sich die Jugendlichen in ihrem Fehlverhalten bestärkt fühlen und weitere Eskalationen zu erwarten wären. Unrecht lässt sich nicht durch Unrecht rechtfertigen. Eine Notwehr gegenüber verbalen Attacken gibt es im Gegensatz zu einem körperlichen Angriff ebenfalls nicht.

Der Beklagte als Vater eines der Mitspieler hatte Vorbildfunktion. An ihm hätte es vielmehr gelegen, deeskalierend auf die aufgehitzte Stimmung einzuwirken. Auch wenn er selbst beleidigt worden sein sollte, stellt dies keine Rechtfertigung für eine durch ihn anschließende Nachahmung dar. Vielmehr durfte der Kläger berechtigt von dem Beklagten erwarten, dass dieser sich beherrscht, die Situation unter Kontrolle hält und nicht etwa seinerseits die vorliegende aggressive Stimmung weiter anheizt.

Dem Kläger ist durch das Verhalten des Beklagten – abgesehen von dem immateriellen Schaden (negative Presse, Imageverlust) – ein finanzieller Schaden entstanden, da dieser zur Zahlung einer Geldstrafe in Höhe von 400,00 Euro durch das Urteil des Verbandssportgerichtes verurteilt worden ist und zudem die damit einhergehenden Verfahrenskosten von 30 EUR zu tragen hatte.

Diesen Schaden hat der Beklagte dem Kläger zu ersetzen.

Außer acht bleiben kann dabei die Beurteilung der Frage, ob das Urteil des Sportgerichts fehlerfrei zustande gekommen und damit als richtig anzusehen ist. Selbst wenn dem Verbandssportgericht vorzuwerfen wäre, den Sachverhalt nicht weit genug aufgeklärt und entsprechende Provokationen des Beklagten in seine Entscheidung nicht mit einbezogen zu haben, ist die Höhe der ausgeurteilten Geldstrafe für die erfolgte Beleidigung letztlich jedoch als angemessen anzusehen. Gerade im Fußballstadion, wo oftmals ein rauer Wind weht und ein aggressiver Ton herrscht, sollte ein Familienvater unflätige Bemerkungen unterlassen, auch wenn diese „nur“ eine Beleidigung ohne rassistischen Hintergrund enthielten.

II.
Dem Kläger steht gegenüber dem Beklagten darüber hinaus ein Anspruch auf Zahlung von 96,39 Euro vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten sowie auf Verzinsung der 430,00 Euro sowie der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz als Verzugsschaden gem. §§ 286, 288 BGB zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

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