Ist ein Vertrag sittenwidrig, so gilt er als von Anfang an nichtig, § 138 Absatz 1 BGB. Bis vor zehn Jahren verstießen Verträge von Prostituierten gegen die „guten Sitten“, doch dann kam das Prostitutionsgesetz und in § 1 Satz 1 wurde die Sittenwidrigkeit abgeschafft:
Sind sexuelle Handlungen gegen ein vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen worden, so begründet diese Vereinbarung eine rechtswirksame Forderung.
Soweit die deutsche Rechtslage. Anders sieht es in Österreich aus. Bislang galt dort ein Urteil des Obersten Gerichtshofs aus dem Jahr 1989:
Mit der Entscheidung 3 Ob 516/89 sprach der Oberste Gerichtshof aus, dass ein Vertrag über die geschlechtliche Hingabe gegen Entgelt ebenso sittenwidrig sei wie Verträge, die eine Teilnahme am Profit kommerzieller Ausbeutung der Sexualität bezweckten (dort: Benützung einer Sauna, um die geschlechtliche Hingabe einer Prostituierten zu ermöglichen). Dabei wurde argumentiert, dass im Zusammenhang mit der Prostitution häufig der Leichtsinn, die Unerfahrenheit, die Triebhaftigkeit und die Trunkenheit von Personen ausgenützt werde. Wenn auch im Einzelfall diese Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien, mache schon die Gefahr der Ausnützung schutzwürdiger Personen solche Verträge bedenklich. Die Prostitution stelle eine Beeinträchtigung des Persönlichkeitsschutzes und eine Gefahr für familienrechtliche Institutionen dar.
Nun vertritt der Oberste Gerichtshof eine andere Auffassung (Az.: 3 Ob 45/12g):
Aus folgenden Überlegungen sieht sich der Senat veranlasst, von der vertretenen Auffassung abzugehen:
Die guten Sitten sind der Inbegriff der zwar im Gesetz nicht ausdrücklich normierten, sich aber aus der Gesamtbetrachtung der rechtlichen Interessen ergebenden Rechte. Dabei sind die Wertentscheidung und Grundprinzipien der Rechtsordnung für die Beurteilung der Sittenwidrigkeit maßgebend. Der Maßstab zur Beurteilung der Sittenwidrigkeit muss daher aus der Rechtsordnung selbst gewonnen werden; dem entspricht die Aussage, die guten Sitten seien mit dem ungeschriebenen Recht gleichzusetzen. Zwar wird auch vertreten, dass beim Verständnis der guten Sitten allgemein anerkannte Moralvorstellungen zu berücksichtigen seien. Das gilt allerdings mit der Einschränkung, dass Moralvorstellungen nur insoweit relevant sind, als sie in der Rechtsordnung Niederschlag gefunden haben…
Die Sittenwidrigkeit könnte daher im Anlassfall nur wegen allgemeiner Moralvorstellungen, die im geltenden Recht Niederschlag gefunden haben, bejaht werden. Berücksichtigt man allerdings, dass die Prostitution in Österreich nicht nur nicht verboten ist, sondern landesgesetzliche Vorschriften eingehend die Rahmenbedingungen für die Ausübung der Prostitution und des Bordellbetriebs regeln, lassen sich aus dem geltenden Recht keine Rückschlüsse auf für das Sittenwidrigkeitsurteil gemäß § 879 Abs 1 ABGB maßgebliche Moralvorstellungen ziehen. Nicht alles, was als potentielle Gefahr für familienrechtliche Institutionen oder als unmoralisch empfunden wird, ist deshalb schon iSd § 879 Abs 1 ABGB sittenwidrig und damit nichtig…
Daraus folgt zusammengefasst:
Die Vereinbarung zwischen einer Prostituierten und ihrem Kunden ist nicht generell sittenwidrig iSd § 879 Abs 1 ABGB. Wurde die sexuelle Handlung gegen vorher vereinbartes Entgelt vorgenommen oder geduldet, so begründet diese Vereinbarung eine klagbare Entgeltforderung. Dieser Grundsatz gilt auch im Verhältnis zwischen Bordellbetreiber und Kunden.