Beschluss des AG Ehingen vom 24. Juni 2009 (Az.: 2 Cs 36 Js 7167/09):
Sachverhalt
Der Angeschuldigte betreibt in Ehingen ein Taxi-Unternehmen. Am 28. Januar 2009 um 13.10 Uhr bestellte die Anzeigeerstatterin telefonisch von ihrer Wohnanschrift in Ehingen aus ein Taxi auf 13.30 Uhr. Sie wollte am Ehinger Bahnhof um 13.45 Uhr einen Zug nach Blaustein erreichen. Das Taxi traf verspätet ein, so dass die Anzeigeerstatterin ihren Zug nicht erreichte. Sie forderte daraufhin den Taxi-Fahrer auf, sie für den Preis der Stadtfahrt nach Blaustein zu fahren. Der Fahrer erklärte, dies müsse der Chef entscheiden. Daraufhin telefonierte die Anzeigeerstatterin mit dem Angeschuldigten und verlangte, ohne Aufpreis nach Blaustein gefahren zu werden. Der Angeschuldigte soll darauf geantwortet haben: „Leck mich am Arsch“. Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass eines Strafbefehls wird abgelehnt.
Rechtliche Wertung
Der bekannte Ausspruch „Leck mich am bzw. im Arsch“ hat seinen literarischen Ursprung bei Johann Wolfgang von Goethe im Schauspiel „Götz von Berlichingen“. Daher wird er häufig mit dem Euphemismus „Götz-Zitat“ umschrieben. Auch Wolfgang Amadeus Mozart betitelte eines seiner Lieder mit „Leck mich im Arsch“ (Köchelverzeichnis Nr. 231). „Leck mich am Arsch“ hat vielfältige Bedeutungen und Deutungsmöglichkeiten. Die Aussage reicht je nach Bildungsstand, Gepflogenheit, Herkunft, Landsmannschaft, Geschmack oder äußerem Anlass von der Ehrenkränkung und Beschimpfung über eine Verfluchung oder über Gefühlsausbrüche bei Schmerz, Freude oder Rührung bis hin zu einem Segensspruch. Es gibt Gerichte, die in der Aussage „Leck mich am Arsch“ eine strafbare Beleidigung gesehen haben, so beispielsweise das Amtsgericht Berlin-Tiergarten und das Amtsgericht Weiden. Dieser Auffassung schließt sich das Amtsgericht Ehingen jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht an. Im vorliegenden Fall ist der Straftatbestand der Beleidigung nach § 185 StGB nicht erfüllt. Unter Beleidigung versteht man einen rechtswidrigen Angriff auf die Ehre eines anderen durch vorsätzliche Kundgabe der Missachtung oder Nichtachtung. Vorliegend hat der Angeschuldigte die Anzeigeerstatterin nicht in ihrer Ehre herabgesetzt. Im schwäbischen Sprachraum wird „Leck mich am Arsch“ alltäglich verwendet. Es handelt sich zwar um einen derben Ausspruch. Eine Herabwertung der Ehre des Gesprächspartners ist damit aber noch nicht verbunden.
Thaddäus Troll (Preisend mit viel schönen Reden, S. 214, Hamburg 1972) legt dar, dass das Götz-Zitat im Schwäbischen den folgenden sozialadäquaten Zwecken dient:
- Ein Gespräch anzuknüpfen,
- eine ins Stocken geratene Unterhaltung wieder in Fluss zu bringen,
- einem Gespräch eine andere Wendung zu geben,
- ein Gespräch endgültig abzubrechen,
- eine Überraschung zu vermelden,
- um der Freude über ein unvermutetes Wiedersehen zweier Schwaben außerhalb des Ländles Ausdruck zu geben,
- um eine als Zumutung empfundene Bitte zurückzuweisen.
Das Gericht schließt sich der Rechtsauffassung von Thaddäus Troll an. Im vorliegenden Fall standen die Aspekte Nr. 4 und 7 im Vordergrund. Der Angeschuldigte wollte auf die Forderung der Anzeigeerstatterin nicht eingehen und das Gespräch beenden. Strafbares Handeln des Angeschuldigten liegt nicht vor. Das Gericht lehnt den Erlass eines Strafbefehls aus rechtlichen Gründen ab.
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