Im Jahr 1887 erregte ein Berliner Schwurgerichtsprozess die Gemüter. Des Mordes angeklagt war der Zuhälter Heinze. Aber nicht die zur Verhandlung stehende Untat für sich allein bestimmte Anlass und Ausmass der öffentlichen Empörung. Vielmehr brachten die Umstände der Bluttat aus den Tiefen der Unterwelt ein „Milieu“ ans Tageslicht, das sich dem Einblick eines wohlbehüteten oder in der Scheinheiligkeit gewollter Blindheit sanft dahindämmernden Berliner Bürgertums bis dahin entzogen hatte. Nun war es ins Bewusstsein getreten.
Abhilfe zu schaffen war Sache der Gesetzgebung. Aber als man an diese im Grunde einfache Aufgabe heranging, ereignete sich in der Öffentlichkeit etwas geradezu Absurdes. Den sich berufen fühlenden Vertretern der herkömmlichen Begriffe von Sitte und Moral schienen die Wurzeln der betrüblichen Symptome nicht in den von der sozialdemokratischen Opposition immer wieder betonten sozialen Missständen zu liegen. Schuldig war vielmehr der „immer größer und aufdringlicher werdende Vertrieb unzüchtiger Schriften, Bildwerke und Darstellungen, was eine große sittliche Gefahr für das Volk bedeutete“.
Dem Verlangen, die Pönalisierung der Zuhälterei mit verschärften Strafbestimmungen gegen „Unzucht“ in Literatur und darstellender Kunst zu koppeln, kam die Gesetzgebung entgegen, mit dem so genannten Lex Heinze.
Auch das Lex Heinze wäre verständiger Auslegung durch Rechtsprechung und juristische Literatur zugänglich gewesen, hätte man sich der Auffassung eines liberalen Strafrechtslehrers wie Franz von Liszt angeschlossen, der den unzüchtigen Charakter eines Werkes nur dann bejaht, wenn es „auf die Erregung des Geschlechtstriebs gerichtet ist und den sittlichen Anstand in geschlechtlicher Beziehung gröblich verletzt“. Diese „subjektive Theorie“ lehnte das Reichsgericht ab. Es schuf die so genannte „objektive Theorie“, wonach die unzüchtige Darstellung charakterisiert wird „als eine solche, die objektiv geeignet ist, das normale Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung zu verletzen“.
Gegen die Zensurbestrebungen des Lex Heinze wurde im März 1900 der Goethe-Bund gegründet, um alle intellektuellen und künstlerischen Kräfte zum Schutze der Freiheit von Kunst und Wissenschaft dauernd zusammenzufassen. Vorsitzender war der Schriftsteller und Bühnenautor Hermann Sudermann. Dieser hatte mit seinen sozialkritischen Werken bereits scharfe Kritik an der Politik von Wilhelm II. geäußert. So kam es, dass die Aufführung seines Theaterstück „Sodoms Ende“ durch den Berliner Polizeipräsidenten von Richthofen verboten wurde, mit den Worten: „Die janze Richtung paßt uns nich!“