Telefonsex

Aus aktuellem Anlass zitiere ich aus einem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln. Verklagt war die Bundesprüfstelle, die zwei Ausgaben der Fernsehzeitschrift rtv indiziert hatte, wegen „unsittlicher“ Werbung für Telefonsex. In der Entscheidung (Az. 27 K 4437/06) heißt es:

…zweifelhaft, ob von den in der Indizierungsentscheidung beanstandeten Werbeanzeigen für Telefonsex eine Jugendgefährdung ausgeht. Insbesondere lässt sich entgegen den tragenden Erwägungen der Bundesprüfstelle den Anzeigen weder nach ihrer visuellen Gestaltung noch nach ihrem Textinhalt mit nennenswertem Gewicht entnehmen, dass darin Promiskuität, Gruppensex oder Prostitution verherrlicht und Menschen als jederzeit verfügbare Lust- und Sexualobjekte präsentiert werden. Keine der publizierten Anzeigen enthält Fotos oder sonstige bildliche Darstellungen mit erotischen bzw. sexuellen Motiven. Ebenfalls werden in den Anzeigen weder direkt noch indirekt irgendwelche sexuellen Praktiken benannt oder näher beschrieben. Vielmehr bleibt es überwiegend bei symbolischen Andeutungen zum Wort Sex (z. B. “Purer XXX!”; “Parkplatzxxx”; “LIVE GAY XXX”; “Live Sxx”). Auch die sonstige Wortwahl überschreitet nicht die Grenze zum Obszönen und enthält keine entwürdigenden Darstellungen. Die Verwendung der Worte wie “scharf”, “verdorben” und “fremdgehen” verletzt auch im vorhandenen Kontext bestehende Tabuzonen und Schamgrenzen nicht. Letztlich ist auch die tragende Erwägung der Indizierungsentscheidung nicht überzeugend, Aussagen wie “Verdorbene Teeni-Göre 18 Jahre”, “Oma (68) braucht ES noch täglich” oder “Heißes Vergnügen mit tabulosen Ost-Frauen” oder “Scharfe Ost-Girls! Immer bereit!” vermittelten dem gefährdeten Jugendlichen die Botschaft, Frauen und insbesondere Frauen bestimmter Herkunft und bestimmten Alters seien bloße sexuelle Konsumartikel für den Mann, und suggerierten den Jugendlichen die Problem- und Bedenkenlosigkeit rascher sexueller Kontakte unter Ausklammerung aller sonstigen persönlichen und sozialen Bezüge. Zum einen wird in der Indizierungsentscheidung nicht die Besonderheit in den Blick genommen, dass bei der Werbung für Telefonsex in der Regel das entwürdigende Element fehlt, das den Anbieter der entgeltlichen Leistung zur bloßen Ware macht. Anders als bei der Prostitution oder auch einer Peep-Show findet bei Telefonsex ein körperlicher oder auch nur visueller Kontakt nicht statt. Vielmehr wird die Sexualität nur verbal vorgespiegelt und bedarf der Umsetzung und der Phantasie des Kunden. Durch die Beschränkung auf den akustischen Kontakt bestehen ausreichend Fluchträume für den Anbieter bei entwürdigenden Gesprächen. Durch die Anonymität bleibt die Intimität des Anbieters im Wesentlichen gewahrt. Von daher besteht für den Jugendlichen bei der Telefonsexwerbung – anders als bei sonstigen Sex-Anzeigen – bloß ein mittelbarer Realitätsbezug. Zum anderen sind bei der Bewertung der Jugendgefährdung der Telefonsexwerbung auch die in den letzten Jahren geänderten gesellschaftlichen Anschauungen hinsichtlich der Sexualmoral zu berücksichtigen. Der Wandel der Moralvorstellungen ist gerade in letzter Zeit u. a. mit dem am 01. Januar 2002 in Kraft getretenen Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten deutlich geworden. Vor diesem Hintergrund werden in der jüngeren zivilgerichtlichen Rechtsprechung Verträge über Telefonsexgespräche und über Werbeanzeigen für Telefonsex auch unter Berücksichtigung der Gründe des Jugendschutzes nicht generell als sittenwidrig im Sinne des § 138 Abs. 1 BGB angesehen.