Qualifizierung der Einkünfte aus Eigenprostitution

Pressemitteilung des Bundesfinanzhofs vom 1. August 2012:

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat mit Beschluss vom 15. März 2012 III R 30/10 den Großen Senat des BFH zur Klärung der Frage angerufen, ob eine Prostituierte aus ihrer Tätigkeit (Eigenprostitution) gewerbliche oder sonstige Einkünfte erzielt.

Der Große Senat des BFH hatte sich mit dieser Frage bereits 1964 befasst und seinerzeit entschieden, dass Prostituierte keine gewerblichen Einkünfte erzielen, weil sie sich nicht am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr beteiligten. Die „gewerbsmäßige Unzucht“ falle aus dem Rahmen dessen, was das Einkommensteuergesetz unter selbständiger Berufstätigkeit verstanden wissen wolle; sie stelle das Zerrbild eines Gewerbes dar. Prostituierte erzielten sonstige Einkünfte, die nicht der Gewerbesteuer unterliegen.

Der III. Senat vertritt in seinem Vorlagebeschluss die Auffassung, dass daran wegen der geänderten tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse nicht mehr festzuhalten sei. Das Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten habe deren Tätigkeit legalisiert. Sexuelle Dienstleistungen würden in der Boulevardpresse und im Internet umfangreich beworben, Prostituierte wendeten sich mit ihrem Angebot an andere Personen in deren Eigenschaft als Marktteilnehmer. Da die Klägerin ihre Leistungen bewerbe und in einer eigens dafür angemieteten Wohnung erbringe, habe das Finanzamt zu Recht Gewerbesteuer festgesetzt.

Will ein Senat von der Entscheidung eines anderen Senats oder – wie hier – des Großen Senats abweichen, muss er die Rechtsfrage dem Großen Senat zur Entscheidung vorlegen. Der Große Senat besteht aus dem Präsidenten des Bundesfinanzhofs und je einem Richter der Senate, in denen der Präsident nicht den Vorsitz führt.

2 Gedanken zu „Qualifizierung der Einkünfte aus Eigenprostitution

  1. Courtisane Carmen

    Gilt das nur für eigenständige Prostituierte, die für ihre Tätigkeit eine Wohnung anmieten und also Betreiber einer „Prostitutionsstätte“ sind oder gilt das auch für eigenständige Prostituierte, die auf dem Rücksitz des Wagens des Kunden, im Wald oder in einem 5*Hotel-Zimmer ihre Dienste erbringen? Ich fände es ja wichtig, dass man zukünftig zwischen dem Betrieb einer Prostitutionsstätte und der Prostitution an und für sich unterscheidet. Auf der Seite des UEGD heißt es dazu: „Der Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht hat einstimmig und zum wiederholten Male festgestellt, das die Ausübung der Prostitution kein Gewerbe im gewerberechtlichen Sinne darstellt.“ Ich sehe das eigentlich genauso, ich verstehe mich selbst auch als Freiberuflerin und nicht als Gewerbetreiebende. Immerhin verlangt meine Tätigkeit ein besonderes Talent, das nicht jeder mal eben so mitbringt und ich kann meine Dienste anbieten, wann und wo ich will. Ich bin also als Selbstständige lokal gar nicht gebunden. Wenn Prostitution tatsächlich ein Gewerbe (im Sinne des Gewerberechts mit Anmeldepflicht) wäre, müßte ich mich beim Gewerbeamt jeder Stadt, jedes Bezirks neu anmelden, bevor ich meinen Dienst anträte. Das wäre bescheuert und ein enormer bürokratischer Aufwand! Gibt es in der IHK eigentlich schon eine Abteilung, die die Rechte selbstständiger Prostituierter vertritt? Wenn nicht, wird es Zeit!

  2. Unternehmerverband Erotik Gewerbe Deutschland e.V.

    Fragwürdige „Einheit des Rechts“

    Im Gewerberecht haben die Gewerberechtsreferenten der Bundesländer im Bund-Länder-Ausschuss Gewerberecht in ihren Sitzungen 90, 91, 101, 105 und zuletzt in der 106. vom 4./5.11.2009 festgestellt:
    „Der BLA bestätigt seine bisherige Rechtsauffassung, wonach die Prostitution kein Beruf wie jeder andere und die Ausübung der Prostitution kein Gewerbe ist.“ (Somit ist keine Gewerbeanmeldung für die Ausübung der Prostitution zwingend)

    Im Steuerrecht haben die Oberfinanzdirektionen im April 2004 per Rundschreiben festgestellt:
    „Die Vertreter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder sind der Auffassung, dass die Einkünfte selbständig tätiger Prostituierter den Einkünften aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 EStG zuzuordnen sind.“
    Diese Vorgehensweise wurde und wird i.d.R. durchgehend angewendet (auch ohne die höchstrichterliche Entscheidung des BFH).

    Gewerbesteuer kann nur anfallen, wenn ein Gewerbebetrieb angemeldet ist. Sexarbeiter sind dazu nicht verpflichtet.

    Für weitere Fragen bitte an den UEGD wenden.

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