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Abmahnungen wegen neuem JMStV?

Am 1. Januar 2011 wird der novellierte Jugendmedienschutz-Staatsvertrag (JMStV) in Kraft treten* und es häufen sich bereits die besorgten Anfragen von Internetanbietern, die wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wegen der neuen Rechtslage befürchten. Dazu ist festzustellen, dass mit der Novellierung keine neuen rechtlichen Pflichten auf die Anbieter zukommen. Sowohl die Regelungen zu jugendgefährdenden Inhalten bleiben weitgehend unverändert, als auch für sog. entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte. Letztere dürfen nach geltendem Recht nur innerhalb einer bestimmten Zeit verbreitet werden (Sendezeitbeschränkung) oder der Zugriff muss durch ein „technisches Mittel“ für Jugendliche wesentlich erschwert sein. Im nächsten Jahr können statt Sendezeitbeschränkung oder technischem Mittel auch Alterskennzeichen zum Einsatz kommen. Insofern besteht kein höheres Abmahnrisiko.

Zudem konnten in der Vergangenheit wettbewerbsrechtliche Abmahnungen wegen angeblicher Jugendschutzverstöße meistens abgewehrt werden. Hierzu zwei Beispiele: Im Jahr 2008 mahnte ein Anwalt in mehr als 30 Fällen ab. Ich war in vielen Fällen mandatiert und erwiderte in jedem Einzelnen:

Ihr Schreiben vom 6. August 2008 liegt uns vor. Die enthaltene Abmahnung weisen wir als unzulässig zurück. Denn offensichtlich wird rechtsmissbräuchlich abgemahnt, § 8 IV UWG.

Wir konnten ermitteln, dass Herr Florian Hübner kein Wettbewerber ist. Seine äußerst kurze Tätigkeit in der Online-Erotik dient einem einzigen Zweck: abzumahnen.

Wir fordern bis zum 18. August 2008 eine Verzichtserklärung hinsichtlich der geltendgemachten Ansprüche. Andernfalls sind wir beauftragt straf-, berufs- und zivilrechtlich vorzugehen.

Wenige Tage später ging die Verzichtserklärung ein:

…Aus prozessökonomischen und wirtschaftlichen Gründen hat sich mein Mandant daher entschlossen, die Angelegenheit nicht weiter zu verfolgen und die Ansprüche nicht weiter aufrecht zu erhalten. In den bei Ihnen anhängigen Fällen (Aktenzeichen UH-05, 08, 13, 14, 15, 20, 22, 24b, 25, 30, 32, 33, 41, 42-08) wird mein Mandant gegen Ihre Mandanten aus dem von uns in der Abmahnung bezeichneten Wettbewerbsverstößen keine Ansprüche, sowohl auf Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung als auch auf Übernahme von Anwaltskosten und Schadensersatz gemäß unserer Abmahnung geltend gemacht.

In einer Abmahnwelle aus dem Jahr 2004 mussten Kollegen etwas härter angefasst und mit gerichtlicher Hilfe gebremst werden. Letztlich entschied das OLG Düsseldorf (Az.: I-20 U 25/05) in einem meiner Verfahren, dass der abmahnende Anwalt ausschließlich „sein Interesse an der Schaffung von Gebührentatbeständen“ verfolge. Was ihm im Übrigen später auch die Zulassung gekostet hat. Weitere Einzelheiten im Interview.

*Nachtrag vom 16. Dezember 2010:

Aufgrund der heutigen Ablehung der JMStV-Novelle im nordrhein-westfälischen Landtag wird es zu keiner Gesetzesänderung am 1. Januar 2011 kommen.

Verfassungsbeschwerden gegen Verbot von Verbreitung einfach pornografischer Darbietungen im Internet an Minderjährige nicht erfolgreich

Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Oktober 2009:

„Die Verfassungsbeschwerden betreffen das Verbot der Verbreitung so genannter einfach pornografischer Darbietungen im Internet an Minderjährige. Die Beschwerdeführerin des Verfahrens 1 BvR 1184/08, deren Geschäftsführer der Beschwerdeführer in der Sache 1 BvR 710/05 ist, hat unter anderem ein Altersnachweissystem vertrieben, welches der Beschwerdeführer in der Sache 1 BvR 1231/04 als Zugangskontrolle zu den von ihm im Internet angebotenen pornografischen Darstellungen eingesetzt hatte. Während sich die Verfassungsbeschwerde in dem Verfahren 1 BvR 710/05 unmittelbar gegen die Vorschrift des § 184c a.F. StGB (heute: § 184d StGB) wendet, liegen den Verfahren 1 BvR 1231/04 und 1 BvR 1184/08 Verurteilungen der Beschwerdeführer in einem strafrechtlichen und einem wettbewerbsrechtlichen Verfahren wegen der Verwendung oder wirtschaftlichen Nutzung der nach Auffassung der Fachgerichte unzureichenden Altersnachweissysteme zugrunde. Die 1. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts hat die Verfassungsbeschwerden der drei Beschwerdeführer nicht zur Entscheidung angenommen. Alle drei Verfassungsbeschwerden sind nicht ausreichend begründet und daher unzulässig.

Den Begründungen kann insbesondere nicht entnommen werden, warum die Beschwerdeführer die angegriffenen gesetzlichen Altersnachweispflichten im Hinblick auf die Vielzahl frei verfügbarer pornografischer Angebote im Internet für ungeeignet halten, Minderjährige vor eventuellen negativen Einflüssen derartiger Darstellungen zu schützen. Auch wenn der Zugang zu pornografischen Angeboten im Internet durch die gesetzlich vorgeschriebene Sicherstellung des ausschließlichen Erwachsenenzugangs nicht völlig verhindert wird, kann er dadurch doch zumindest verringert werden.

Ebenso ist die von den Beschwerdeführern aufgestellte Behauptung, dem Gesetzgeber könne eine Einschätzungsprärogative hinsichtlich der jugendgefährdenden Wirkung eines Mediums mittlerweile nicht mehr zugestanden werden, nicht ausreichend dargelegt. Die Verfassungsbeschwerden legen weder schlüssig dar, dass diese vom Gesetzgeber seinerzeit als noch nicht abschließend geklärt angesehene Frage mittlerweile durch gesicherte Kenntnisse der Medienwissenschaft, der Entwicklungs- und Sozialpsychologie, der Pädagogik und der Kriminologie in eindeutiger Weise beantwortet worden wäre, noch dass der Gesetzgeber sich nicht in dem gebotenen Maß um ihre Klärung bemüht habe.

Auch der gerügte Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot des Art. 103 Abs. 2 GG genügt nicht den Begründungsanforderungen. Insoweit setzen sich die Verfassungsbeschwerden nicht mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur hinreichenden Bestimmtheit des Begriffs  der Pornografie als Tatbestandsmerkmal auseinander. Sie zeigen weder auf, dass die dortigen Erwägungen in dem hier in Frage stehenden Kontext nicht zuträfen noch dass veränderte Umstände einem Festhalten an dem damals gefundenen Ergebnis entgegenstünden.“