Schlagwort-Archive: Kunstfreiheit

L’Étude de Nu

Schon wieder Nippelalarm bei Facebook. Diesmal wegen einer Schwarz-Weiß-Aufnahme aus den 40er-Jahren – L’Étude de Nu – erstellt von der französischen Fotografin Laure Albin Guillot (1879-1962). Betroffen ist das auf zeitgenössische Foto- und Videokunst spezialisierte Pariser Museum Jeu de Paume, dessen Facebook-Seite gesperrt wurde. Mittels Pornobalken konnte die Situation entschärft werden. Das Museum ist angesäuert: „Nicht zwischen einem Kunstwerk und einem Bild mit pornografischem Charakter zu unterscheiden ist eine nicht nur zweifelhafte, sondern vor allem gefährliche Vermischung.“

Nackter Ai Weiwei

Gegen den Künstler Ai Weiwei wird nach dessen Angaben nun auch wegen der Verbreitung von Pornografie ermittelt. Er liegt seit Jahren mit der chinesischen Regierung im Clinch. Anfang April war er wegen angeblicher Steuervergehen festgenommen und fast drei Monate ohne Anklage an einem unbekannten Ort arrestiert worden. Die Behörden fordern Zahlungen von 15 Millionen Yuan (rund 1,7 Millionen Euro). Ai Weiwei weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sie als politisch motiviert.

Zu den neuen Vorwürfen sagte Ai Weiwei: „Wenn sie Nacktheit als Pornografie sehen, dann lebt China noch in der Qing-Dynastie“. Unterstützer veröffentlichten nun eigene Nacktbilder auf einem Blog mit dem Titel: Ai Wei Fans‘ Nudity – Listen, Chinese Government: Nudity is not Pornography.

PS: In diesem Zusammenhang kann auch das Rätsel gelöst werden, wer anlässlich der 12.Documenta das ai-weiwei’sche Kunstwerk Template zum Einsturz brachte. Ich/Hulk.

 

Im Kampf für die Kunstfreiheit

Die Kunstfreiheit wird in Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz vorbehaltlos gewährleistet. Im Gegensatz zu Presse- und Meinungsfreiheit findet keine ausdrückliche Beschränkung durch allgemeine Gesetze oder den Jugendschutz statt. Vielmehr muss in jedem Einzelfall eine Grundrechtsabwägung mit anderen Schutzgütern erfolgen. Soweit die Theorie.

Im vergangenen Jahr geriet das Kunstportal Erotisches zur Nacht ins Visier der Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb). Diese Landesmedienanstalt, die zusammen mit der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) das Internet beaufsichtigt, untersagte eine weitere Verbreitung der Website, mit Androhung von Zwangsgeldern in vierstelliger Höhe bei Zuwiderhandlung. Der konkrete Vorwurf der Jugendschützer lautete, dass Texte verbreitet würden,

die geeignet sind, die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit zu beeinträchtigen.

Darüberhinaus wurden drei Bußgeldbescheide erlassen, über deren Rechtmäßigkeit das Amtsgericht Tiergarten zu entscheiden hatte. Ganz offensichtlich war der zuständige Richter erstmals mit Kunst und Jugendschutz konfrontiert, denn auf meine Ausführungen zur eingeschränkten Anwendbarkeit des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages bei angemessener Abwägung mit der Kunstfreiheit, fiel seine Reaktion sehr knapp aus (Urteil vom 2. Dezember 2010, Az.: 339 OWi 1032/10):

Das erkennende Gericht teilt diese Auffassung nicht, denn das würde im Ergebnis dazu führen, dass der Betroffene als Künstler in einem „rechtsfreien Raum“ leben würde.

Mit dieser dürftigen Begründung zeigte sich das Kammergericht Berlin nicht zufrieden und hob das Urteil wieder auf (Beschluss vom 31. Januar 2011, Az.: 2 Ss 15/11), weil…

…der Senat nicht einmal ansatzweise in der Lage ist zu überprüfen, ob das Tatgericht die gebotene Grundrechtsabwägung vorgenommen hat.

Nun wird am 10. März 2011 vor dem Amtsgericht Tiergarten erneut für die Kunstfreiheit gekämpft. Aus Solidarität mit „Erotisches zur Nacht“ findet am Dienstag, 8. März 2011, eine Lesung statt. Dargeboten werden verbotene Texte des Kunstportals, unter anderem von Henryk M. Broder.

Duke Nukem

Seit 13 Jahren befindet sich der Shooter Duke Nukem Forever in Entwicklung. Nun soll das Computerspiel tatsächlich im nächsten Jahr in den Handel kommen. Dies kündigte die Entwicklerfirma Gearbox Software auf der Spielemesse Penny Arcade Expo (PAX) an, wie heise.de berichtet.

Die letzte Veröffentlichung des Spiels erfolgte am 29. Januar 1996 unter dem Titel Duke Nukem 3D und wurde von der Bundesprüfstelle indiziert. Hier ein Auszug aus der Entscheidung, bekannt gemacht im Bundesanzeiger Nr. 141 vom 31. Juli 1996:

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Rammsteineske Entscheidung

Mit einem brutalen Beschluss hat das Verwaltungsgericht Köln am 31. Mai 2010 (Az.: 22 L 1899/09) der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) den Arsch versohlt. Diese indizierte im November letzten Jahres das Album „Liebe ist für alle da“ von Rammstein wegen „verrohender Wirkung“. Dagegen setzte sich die Gruppe mit anwaltlicher Hilfe zur Wehr und traf nun bei den rheinischen Richtern auf offene Ohren. In der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung wird mit deutlichen Worten die „fehlende konkrete Würdigung“ der „Schutzgüter Jugendschutz und Kunstfreiheit“ gerügt. Insbesondere habe die Bundesprüfstelle „ihre Begutachtungsaufgabe nicht erfüllt“ und „wesentliche Aspekte…  völlig unberücksichtigt gelassen“. Abschließend heißt es: „Angesichts der Vielzahl der aufgeführten Defizite bei der Ermittlung des erforderlichen Abwägungsmaterials spricht Überwiegendes dafür, dass das Abwägungsergebnis (der Bundesprüfstelle) seinerseits unter einem nicht reparablen Fehler leidet.“ Autsch.

PS: Das Verwaltungsgericht wurde vom Oberverwaltungsgericht bestätigt.

Die nackte Oberbürgermeisterin

Der für Verletzungen des allgemeinen Persönlichkeitsrechts zuständige 4.Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden hat am 16. April 2010 den Antrag der Dresdner Oberbürgermeisterin Helma Orosz auf Erlass einer einstweiligen Verfügung abgewiesen.

Zum Sachverhalt:

Die Verfügungsbeklagte hatte im Internet ein Gemälde mit dem Titel „Frau Orosz wirbt für das Welterbe“ veröffentlicht, auf dem die Oberbürgermeisterin nackt – lediglich mit rosafarbenen Strapsen und Strapshaltern sowie einer Bürgermeisterkette „bekleidet“ – zu sehen war. Im Zusammenhang mit dem Tag des offenen Ateliers in Dresden wurde das Gemälde – neben anderen Bildern der Künstlerin –  am 15. November 2009 in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht. Nachdem die Malerin die Aufforderung auf Abgabe einer Unterlassungserklärung in Bezug auf die künftige Veröffentlichung und sonstige Verbreitung des Bildes abgelehnt hatte, stellte Oberbürgermeisterin Orosz Antrag auf Erlass einer  Einstweiligen Verfügung. Das Originalgemälde ist zwischenzeitlich verkauft.

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Nackt auf der Straße

Momentan flitzen die Nackedeis durch YouTube. Mit Pornobalken und Pixeln werden die primären und sekundären Geschlechtsmerkmale entschärft. In Deutschland wird das „Zurschaustellen des nackten Körpers in der Öffentlichkeit“ regelmäßig verboten. Die Gerichte entscheiden für die „öffentliche Ordnung“ und gegen die Kunstfreiheit nach Artikel 5 III 1 Grundgesetz (vgl. OVG Münster, NJW 1997,1180; VGH Mannheim NJW 2003,234).