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Der neue JMStV

Es wird Zeit, dass der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag in Kraft tritt, denn es mehren sich die Verfahren wegen Verbreitung entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte. Entwicklungsbeeinträchtigende Inhalte dürfen gemäß dem geltenden § 5 JMStV nur zwischen 22 Uhr bzw. 23 Uhr und 6 Uhr im Internet gezeigt werden. Diese Regelung nennt sich Sendezeitbegrenzung, steht seit 2003 im Staatsvertrag und ist der Röhrenradio-Weltsicht des Gesetzgebers geschuldet.

Leider wurde es im Rahmen der JMStV-Novellierung versäumt die Sendezeitbegrenzung abzuschaffen. Stattdessen dürfen Internetanbieter ab 1. Januar 2011 eine „freiwillige“ Alterskennzeichnung ihrer Websites vornehmen. Alterskennzeichen sind keine gute Lösung, aber besser als Sendezeiten. Der Teufel wird mit dem Beelzebub ausgetrieben.

Schade, dass sich die Debatte im Netz nicht mit den weiteren Problemfeldern des Jugendmedienschutz-Staatsvertrages beschäftigte. Beispielsweise den strengeren Vorschriften für Altersverifikationssysteme oder den Sperrungsverfügungen. Besonders die Möglichkeit von Sperrungsverfügungen nach § 20 Abs.4 JMStV i.V.m. § 59 Abs.4 RStV birgt eine Sprengkraft, die weit über das Zugangserschwerungsgesetz hinausgeht.

Foto: Schreiben aus aktuellen Verfahren wegen Verbreitung so genannter entwicklungsbeeinträchtigender Inhalte von den folgenden Landesmedienanstalten: Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LFK), Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM), Medienanstalt Berlin-Brandenburg (mabb), Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM), Landeszentrale für Medien und Kommunikation Rheinland-Pfalz (LMK).

Ey, Alter!

Am 10. Juni 2010 wurde der neue Jugendmedienschutz-Staatsvertrag ministerpräsidial auf den Weg gebracht. Seit einigen Tagen liegt nun auch die Begründung zu diesem Gesetzeswerk vor. Bei genauerem Lesen entsteht der Eindruck, dass altersmäßig eine große Begriffsvielfalt, wenn nicht sogar -verwirrung herrscht. Hier mal einige Zitate aus der JMStV-Begründung:

Wesentliche Neuerung der Novellierung ist die Einführung einer freiwilligen Alterskennzeichnung von Internetangeboten.

Die Novellierung legt die Altersstufen des Jugendschutzgesetzes zu Grunde, sodass ein nutzerfreundliches, alle elektronischen Medien einschließendes Alterskennzeichnungssystem etabliert wird.

Erziehungsberechtigte können zum Schutz minderjähriger Kinder vor nicht altersgerechten Angeboten ein Jugendschutzprogramm installieren und aktivieren.

Anbieter werden privilegiert, die ihr Angebot freiwillig mit einer Altersstufe kennzeichnen.

Absatz 2 Satz 1 enthält die neu geregelte Möglichkeit für Anbieter, freiwillig Inhalte altersgemäß zu kennzeichnen.

Aus § 12 ergibt sich, dass das Alterskennzeichen neben der technischen Komponente auch eine visuelle Komponente beinhaltet.

Die technische Komponente soll von anerkannten Jugendschutzprogrammen ausgelesen werden können, sodass bei deren Einsatz ein altersdifferenzierter Zugang zum Internet ermöglicht wird.

Wird die Alterskennzeichnung durch eine Einrichtung der Freiwilligen Selbstkontrolle vorgenommen oder bestätigt, bestimmt Satz 4 2. Halbsatz, dass die Aufsichtsbehörde die Alterskennzeichnung nur dann beanstanden kann, wenn die Einrichtung bei der Altersbewertung ihren Beurteilungsspielraum überschritten hat.

Anforderungen an ein Altersverifikationssystem sind wesentlich höher.

Als Alternative eröffnet der Staatsvertrag den Anbietern weiterhin die Möglichkeit, durch eine bestimmte zeitliche Einschränkung des Verbreitens oder Zugänglichmachens des Angebots der Verpflichtung aus § 5 Abs. 1 Satz 1 nachzukommen.

Die Altersstufe „12 Jahre“ wurde unter Berücksichtigung der Altersgrenzen des Jugendschutzgesetzes gewählt.

Durch eine technisch auslesbare Kennzeichnung stellt der Anbieter sicher, dass seine Inhalte durch ein Jugendschutzprogramm nicht gefiltert werden und für Kinder und Jugendliche der entsprechenden Altersgruppe erreichbar sind.

Nachstickerung

„Nachstickerung“ ist ein Begriff, den sich nur Juristen ausdenken können. Was damit gemeint ist, erkläre ich als Gastautor im Shopbetreiber-Blog.

Jugendschutz 2.0

Anbieter von Social Networks und Zugangsprovider könnten demnächst stärker von den Jugendmedienschützern ins Visier genommen werden. Das legt ein aktueller Entwurf der Rundfunkkommission der Länder zur Novelle des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV-E) nahe.

Zu diesem Entwurf werden heute Unternehmen, Verbände und weitere Interessengruppen in der rheinland-pfälzischen Staatskanzlei angehört. Vorab sind u.a. die folgenden Stellungnahmen eingegangen: 1und1 Internet AG, BITKOM Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V., eco – Verband der deutschen Internetwirtschaft e.V., FSM Freiwilligen Selbstkontrolle Multimedia-Diensteanbieter e.V., Verbraucherzentrale Bundesverband.

Wesentliche Kritikpunkte sind der ausufernde Anbieterbegriff in § 3 Nr. 2 JMStV-E, Alterskennzeichnung und Sendezeitbegrenzung bei so genannten entwicklungsbeeinträchtigenden Inhalten in § 5 JMStV-E, die Definition von Jugendschutzsystemen in § 11 JMStV-E, die neuen Ordnungswidrigkeiten in § 24 JMStV-E sowie die fehlende Normenklarheit der vorgenannten Regelungen.

Eine merkwürdige Meinung vertritt der AK-Zensur zum Entwurf des Jugendmedienschutz-Staatsvertrags:

Im Bereich der Pornographie dient er nicht dem Schutz von Jugendlichen, sondern dient der Marktabschottung der inländischen Porno-Industrie vor ausländischer Konkurrenz. Der Beifall der deutschen Porno-Produzenten ist ihm daher sicher.

Ich halte die Ohren offen. Konnte aber bislang noch nicht den leisesten Beifall vernehmen. Hier liegt wohl ein kleines Missverständnis vor.

(Bild: Wikipedia)