Intime Aufnahmen und viele Paragrafen

Mit juristischer Gründlichkeit prüfte das Oberlandesgericht Koblenz eine Streitigkeit um intime Aufnahmen (Az.: 3 U 1288/13). Die Parteien hatten in der Vergangenheit eine Beziehung. Während dieser Zeit erstellte der Beklagte, der von Beruf Fotograf ist, zahlreiche „Lichtbilder und Filmaufnahmen“ von der Klägerin mit sichtbarem Intimbereich „vor, während und im Anschluss an den Geschlechtsverkehr“. Die Klägerin verlangte alle Aufnahmen „vollständig zu löschen“.

  • Die materiell-rechtliche Prüfung startete beim Löschungsanspruch gemäß § 6 Abs. 1 BDSG, aber kam zu einem schnellen Ende, weil „die Erhebung, Verarbeitung oder Nutzung der Daten ausschließlich für persönliche oder familiäre Tätigkeiten erfolgte“ (vgl. § 1 Abs. 2 Nr. 3 BDSG und § 27 BDSG) und damit das Bundesdatenschutzgesetz nicht einschlägig ist.
  • Die „Daten“ wurden auch nicht dadurch öffentlich, dass der Beklagte sich auf die Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG beruft und Kunst „auf kommunikative Sinnvermittlung nach außen gerichtet ist“, denn das Gericht ging davon aus, dass der Beklagte den gemachten Aufnahmen zwar einen künstlerischen Stellenwert beimisst, aber die Aufnahmen nicht für Dritte vorgesehen sind.
  • Kein Anspruch auf Löschung ergibt sich aus dem „Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie“, denn gemäß § 37 KunstUrhG unterliegen ausschließlich „widerrechtlich hergestellte Exemplare der Vernichtung.“ Eine widerrechtliche Herstellung liegt nicht vor, weil die Klägerin sich für die „Aufnahmen mit intimen Charakter“ zur Verfügung stellte.
  • Schließlich führten § 823 Abs. 1 BGB und § 1004 BGB (analog) zum Erfolg. Zwar stellten die Aufnahmen aufgrund der Einwilligung der Klägerin zunächst keinen rechtswidrigen Eingriff in das Recht am eigenen Bild dar. Allerdings war es beim Vorliegen veränderter Umstände, die auf einer gewandelten inneren Einstellung beruhen, der Klägerin nicht mehr zumutbar, an der einmal abgegebenen Einwilligung festgehalten zu werden.
  • Insoweit berücksichtigte das Gericht, dass die Aufnahmen im privaten Bereich im Rahmen einer Liebesbeziehung gefertigt wurden und nicht im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit des Beklagten, wodurch auch die Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG nicht berührt war.
  • Die weiteren Rechte des Beklagten auf Eigentum gemäß Art. 14 Abs. 1 GG, auf Kunstfreiheit gemäß Art. 5 Abs. 3 GG und auf allgemeine Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG mussten „im Sinne einer effektiven Grundrechtsausübung hinter anderen Grundrechten zurückstehen.“
  • Zur „Fortbildung des Rechts“ wurde die Revision gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zugelassen.

Update: Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 13. Oktober 2015 (Az.: VI ZR 271/14 ) die Revision des Beklagten zurückgewiesen.