Archiv für den Monat: Juli 2017

Auslandsstrafbarkeit

Aktuell wird in den Medien immer wieder behauptet, dass sich ausländische Anbieter pornografischer Websites strafbar machen, weil sie deutsche Gesetze nicht einhalten. Stimmt das?

Lange Zeit galt die sog. Toeben-Entscheidung als Maßstab für § 9 StGB. Danach wurde das Strafgesetzbuch auf abstrakt-konkrete Gefährdungsdelikte angewandt, da diese Delikte unter dem Gesichtspunkt des Erfolgsortes mit konkreten Gefährdungsdelikten vergleichbar sein sollten. Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof ausdrücklich aufgegeben. Der 3. Strafsenat verneinte die Frage, ob es bei abstrakten Gefährdungsdelikten – wie § 184 StGB – einen Erfolgsort gibt, mit eindeutigen Worten (Seite 5):

Das abstrakte Gefährdungsdelikt … umschreibt keinen zum Tatbestand gehörenden Erfolg, so dass eine Inlandstat über § 9 Abs. 1 Var. 3 oder 4 StGB nicht begründet werden kann.

Danach fehlt es an einer Inlandstat auch dann, wenn die Internetinhalte von Deutschland aus abrufbar sind. Gleichzeitig entkräftet der Bundesgerichtshof etwaigen Widerspruch (Seite 6):

Das Argument, diese Auffassung konterkariere die Bemühung, den Schutz bestimmter Rechtsgüter durch die Schaffung von abstrakten Gefährdungsdelikten zu erhöhen, vermag nicht zu überzeugen. Gerade die diesen Schutz ausmachende Vorverlagerung der Strafbarkeit kann Anlass sein, diese – schon mit Blick auf völkerrechtliche Fragen – nicht ausnahmslos auf Sachverhalte mit internationalem Bezug zu erstrecken.

Schmerzensgeld für Impotenz des Partners?

Pressemitteilung des OLG Hamm vom 21. Juni 2017:

Einer Ehefrau steht aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung ihres Ehemanns, durch die dieser impotent geworden sein soll, kein Schmerzensgeld zu. Unter Hinweis auf diese Rechtslage hat der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm dem Schmerzensgeldbegehren einer Klägerin aus Gevelsberg keine Erfolgsaussichten beigemessen. Die Klägerin hat daraufhin ihre Berufung gegen das erstinstanzliche, klageabweisende Urteil des Landgerichts Hagen zurückgenommen.

Die Klägerin hat behauptet, ihr Ehemann habe aufgrund einer fehlerhaften ärztlichen Behandlung im beklagten Krankenhaus aus Herdecke, dort wurde der Mann in den Jahren 2010 und 2011 mehrfach an der Wirbelsäule operiert, einen Nervenschaden erlitten, durch welchen er impotent geworden sei. Dies beeinträchtige ihr zuvor ausgefülltes Sexualleben. Vom beklagten Krankenhaus hat sie deswegen ein Schmerzensgeld in der Größenordnung von 20.000 Euro verlangt.

Das Klagebegehren ist erfolglos geblieben. Der 3. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat in seinem Hinweisbeschluss vom 07.06.2017 ausgeführt, dass es an der Verletzung eines eigenen Rechtsgutes der Klägerin und damit an einer Voraussetzung für einen Schmerzensgeldanspruch fehle.

Die Klägerin trage bereits nicht vor, so der Senat, dass die behauptete Impotenz ihres Ehemanns bei ihr zu einem körperlichen oder psychischen Schaden geführt habe. Sie mache lediglich einen faktischen „Verlust ihrer Sexualität“ geltend, wobei anzumerken sei, dass die in Frage stehende Impotenz keinen vollständigen Verlust der ehelichen Sexualität bedeuten müsse.

Der von der Klägerin vorgetragene (teilweise) Verlust ihrer ehelichen Sexualität stelle keine Verletzung ihres Köpers, ihrer Gesundheit oder ihres Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung dar. Es handele sich lediglich um eine Auswirkung der behaupteten Impotenz auf das Leben der Klägerin und nicht um einen Eingriff in ihre Rechtsstellung.

Folge man der Rechtsauffassung der Klägerin, könne grundsätzlich in allen Fällen einer rechtswidrig und schuldhaft verursachten Einschränkung der Fähigkeit zur sexuellen Betätigung – denkbar beispielsweise als Folge eines schweren Verkehrsunfalls – auch der Ehepartner des Geschädigten eigene Ansprüche geltend machen. Gerichtsentscheidungen, die derartige Ansprüche eines Ehepartners bejahten, seien dem Senat nicht bekannt.

Nach dem erteilten Hinweis hat die Klägerin die Berufung am 05.07.2017 zurückgenommen und damit den Rechtsstreit beendet.

Hinweisbeschluss des 3. Zivilsenats des OLG Hamm vom 07.06.2017 (Az. 3 U 42/17)

Erstinstanzliche Entscheidung: Urteil des LG Hagen vom 26.01.2017 (Az. 4 O 339/14)